Ob Greenfield- oder Brownfieldanlage, eine gute Planung ist Grundvoraussetzung für sichere und gut funktionierende Anlagen. Die Planung von Ethernet-APL-Netzwerken ist für viele Anwender neu. Da aber Ethernet-APL für die Belange der Prozessindustrie entwickelt wurde, fällt der Einstieg leicht. Schließlich gehörte die „Einfachheit“ zu den wichtigsten Anforderungen der Anwender, als es an die Entwicklung des neuen Konzeptes ging.
Die folgenden 12 Tipps zeigen, wie man den Planungsprozess systematisch angeht und die Grundregeln des Explosionsschutzes beachtet.
1. Explosionsschutz? Zuerst kommt die Zoneneinteilung!
Für Anlagen in denen mit explosionsfähiger Atmosphäre zu rechnen ist, ist eine spezielle Planung und Dokumentation unerlässlich. Hierzu wird der Bereich mit potenziell explosionsfähigen Atmosphären typischerweise in Zonen (Europa ATEX bzw. Global IEC, USA NEC 505) oder Divisions (USA NEC 500) eingeteilt. Das hat neben dem Sicherheitsaspekt auch ökonomische Gründe. So muss man nicht überall in der Anlage mit dem höchstmöglichen – und damit meist auch teuerstem – Sicherheitsequipment arbeiten.
Im Geltungsbereich der ATEX und der IECEx sowie in USA bei NEC 505 erfolgt die Einteilung für explosionsfähige Gas-Atmosphären in die Zone 0, 1 oder 2, wobei in Zone 0 das größte Risiko besteht. In den USA erfolgt die Einteilung meistens nach der NEC 500 in die Class I (Gase) und den Divisions 1 und 2 – hier entspricht die Division 1 in etwa der Kombination aus Zone 0 und 1.
Noch ein wichtiger Hinweis: Die Zonenplanung ist häufig dynamisch, etwa bei Umbauten oder Änderungen der Anlage.
2. Wo werden Ethernet-APL-Geräte installiert?
Ob Ethernet-APL- oder konventionelles Feldgerät, das Feldgerät muss an die Stelle im Prozess, an der gemessen oder geregelt wird. Lediglich die Auswahl der Zündschutzart spielt eventuell eine Rolle. Der große Vorteil ist, dass bei Ethernet-APL-Installationen durchgängig die Zündschutzart Eigensicherheit zum Einsatz kommt. Diese ist auch für Zone 0 Installationen geeignet und damit sind Installationsarbeiten, Umbauten, Erweiterungen, Messungen usw. im Betrieb unter explosionsfähiger Atmosphäre möglich, ohne dass die Anlage bzw. das APL-Segment abgeschaltet werden muss. Wichtig: Jede Änderung muss dokumentiert werden!
3. Und wo installiere ich die Ethernet-APL Field Switches?
Zum Aufbau eines Ethernet-APL-Netzwerkes und zur Einbindung der Feldgeräte werden die sogenannten Field Switches benötigt. Ein Field Switch ist zunächst einmal ein Switch, wie er bei jeder Ethernet-Installation erforderlich ist. Bei Ethernet-APL hat der Field Switch aber noch ein paar Zusatzaufgaben. Der Field Switch versorgt die angeschlossenen Feldgeräte mit eigensicherer Hilfsenergie über eine Stichleitung bzw. die „Spur“. Diese Spurs sind in ihrer Länge auf 200 m begrenzt. Es kann daher Sinn machen, zuerst die Netzwerk-Topologie festzulegen und dann die Field Switches zu positionieren.
4. Welche Netzwerk-Topologie soll ich einsetzen?
Das ist ein bisschen wie das Henne-Ei-Problem: Sollen zuerst die Field Switches festgelegt werden und dann die Netzwerk Topologie oder andersherum? Grundsätzlich bietet Ethernet-APL zwei Optionen, die Stern-Topologie oder die Trunk-Spur-Topologie. Beide haben ihre Vor- und Nachteile, die abzuwägen sind. Kurz gefasst ist es eine Entscheidung entweder die Teilnehmerzahl zu maximieren oder die größtmöglichen Entfernungen kostengünstig zu erreichen. Aktuell sind am Markt allerdings nur Field Switches für die Stern-Topologie verfügbar.
5. Was ist die Stern-Topologie?
Ethernet-APL kann in der für Ethernet üblichen Stern-Topologie aufgebaut werden. D.h. die Field Switches sind direkt mit einem 4-Draht Ethernet wie z.B. 100BASE-TX verbunden und die Feldgeräte werden an ihren Ports sternförmig in Punkt-zu-Punkt Verbindungen angeschlossen. Die Field Switches werden separat mit Hilfsenergie versorgt. Bei einem übergeordneten 100BASE-TX Netzwerk ist die Entfernung Field Switch zum Automatisierungssystem bzw. zwischen Field Switches auf die Ethernet-typischen 100 m begrenzt, wodurch die gesamte Netzwerkausdehnung begrenzt wird. Mit Lichtwellenleitern, die inzwischen die meisten Field Switches optional unterstützen, sind jedoch wesentlich längere Entfernungen bis zu 20 km möglich. Ein weiterer Vorteil ist, dass das übergeordnete Netzwerk auch in einer Ring-Topologie aufgebaut werden kann, wodurch die Installation eine höhere Verfügbarkeit erreicht. Je nach Anbieter lassen sich die Field Switches in der Warte, in der Zone 2 aber auch in der Zone 1 installieren.
6. Was ist das Besondere an der der Trunk-Spur-Topologie?
Alternativ lässt sich die aus der Feldbuswelt bekannte Trunk-Spur-Topologie verwenden. Der Netzwerkübergang vom 100BASE-TX oder –FX Netz erfolgt hier über einen Power Switch. Dieser speist dann das Ethernet-APL Netzwerk inkl. der Field Switches über eine Trunk Leitung. Die daran angeschlossenen Field Switches versorgen wiederum die Feldgeräte mit eigensicherer Energie. Die Trunk-Leitung kann bis zu 1000 m sein – ist also für weitläufige Anlagen sehr gut geeignet. Durch den Spannungsabfall auf dem Trunk-Kabel muss jedoch genau projektiert werden und bei Änderungen ist eine Überprüfung und ggf. Anpassung der Projektierung vorzunehmen. Umso mehr Geräte am Trunk betrieben werden sollen, desto kürzer wird dann auch die verfügbare Leitungslänge. Die Ring-Topologie wird durch den Trunk nicht unterstützt. Die Field Switches sind bis in die Zone 1 installierbar, der Power Switch typischerweise im Schaltraum oder in Zone 2. Der Trunk wird in der Zündschutzart erhöhte Sicherheit „e“ installiert.
7. Was kann ich noch alles in mein Ethernet-APL-Netzwerk einbauen?
Ein großer Vorteil der Ethernet-APL Technologie ist, dass alle Ethernet-fähigen Geräte im selben Netzwerk problemlos miteinander funktionieren. So lassen sich auch nicht-APL fähige Geräte, also die klassische 4...20 mA Sensorik und Aktorik, einfache Näherungsinitiatoren oder Magnetventile über Remote I/O einbinden. Ethernet-fähige Remote I/O mit z.B. PROFINET oder EtherNet/IP sind seit mehreren Jahren verfügbar und können mit den Field Switches in der Zone 1 installiert werden. Ähnlich Wireless Access Points, die insbesondere für mobile Lösungen zur Wartung und Instandhaltung zunehmend auch in der Zone 1 benötigt werden. Speziell bei Ethernet ist der vor Ort Zugriff auf das Netzwerk ein großer Vorteil, da ansonsten wenig lokale Möglichkeiten zur Fehlersuche verfügbar sind.
Je nach regionalen Anforderungen kann auch ein Überspannungsschutz speziell bei großen Entfernungen vom Field Switch zum Schaltraum Sinn machen, also speziell bei einer Trunk-Anbindung über 1000 m. Ob man die relativ kurzen Spur-Verbindungen auch mit Überspannungsschutz versieht, muss von Fall zu Fall bewertet werden. Dann wäre dies aber beidseitig am Field Switch und am Feldgeräte-Port nötig. Zusätzlich sind auch Steckverbinder für z.B. Wartungszwecke im Netz zulässig. Die maximale Anzahl dieser sogenannten Einfügungen sind im Engineering Guide in der Tabelle 4-6 aufgeführt.
8. Und dann wird einfach das Automatisierungssystem „oben“ angeschlossen?
Im Prinzip ja – bei der Stern-Topologie ist dieses direkt über den Ethernet-Backbone eingebunden. Bei der Trunk-Spur-Topologie erfolgt der Anschluss über den Power Switch. Wichtig zu wissen: Die Netzwerkausdehnung muss bei der Trunk-Spur-Topologie entsprechend dimensioniert werden, da je nach verwendeter Leistung des Power Switch, Stromaufnahme der Feldgeräte und der Dimensionierung der Kabel die Spannungsabfälle im System die Ausdehnung beeinflussen. Auch hier bietet der Engineering Guide Unterstützung wie z.B. in Kapitel 4.10 mit einigen Best-Practice-Beispielen. Bei der Stern-Topologie wird die Anzahl der möglichen Teilnehmer je Netzwerk eigentlich nur durch die Leistungsfähigkeit der eingesetzten Automatisierungssysteme beschränkt.
9. Gibt es bei Ethernet-APL das Problem der Netzwerklast?
Jein. In Anlagen der Prozesstechnik sollte die Netzwerklast idealerweise unter 10 % für die Prozesssteuerung liegen. Mit einer Stern-Topologie liegt diese bei prozess-typischen Zykluszeiten von 400…500 ms bei 250 Feldgeräten unter 5 % – ausreichend Reserve! Bei Trunk-Spur-Topologien, die wegen o.g. Spannungsabfällen auf dem Trunk für ca. 50 Feldgeräte geeignet sind, liegt diese unter den gleichen Bedingungen sogar unter 1 %.
In praktischen Versuchen wurden schon Installationen mit über 200 APL-Feldgeräten über PROFINET an einem Controller problemlos betrieben. Die praktischen Überprüfungen aber auch diverse theoretische Untersuchungen zeigen, Ethernet-APL ist ein sehr robuster Physical Layer und kommt problemlos auch mit extremen Anforderungen klar. Also ideal für die Prozessautomatisierung.
10. Wie war das nochmal mit dem Nachweis der Eigensicherheit?
Der Nachweis der Eigensicherheit ist auch in Ethernet-APL-Netzwerken erforderlich, allerdings ist dieser sehr einfach. Bei Ethernet-APL ist genau eine Energiequelle mit genau einer Energiesenke über ein definiertes Kabel verbunden. Mit diesen Randbedingungen lässt sich der Ex i-Nachweis exemplarisch, d.h. einmalig auf Basis der IEC 60079-25 „Eigensichere Systeme“ für alle zusammenschaltbaren Geräte durchführen. Und damit das nicht jeder Anwender oder Planer selber neu machen muss, hat die Ethernet-APL-Arbeitsgruppe zusammen mit der DEKRA-Exam diesen Nachweis bereits geführt und in einer IEC TS 60079-47 dokumentiert: „Geräteschutz durch eigensicheres 2-Draht-Ethernet-Konzept (2-WISE = 2-Wire Intrinsically Safe Ethernet)“. Diese TS (Technical Specification) wird in den kommenden Jahren in die IEC 60079-11 Ed. 8 und IEC 60079-25 Ed. 3 integriert werden, kann aber schon heute für die Entwicklung und den praktischen Einsatz von Ethernet-APL Geräten verwendet werden.
11. Warum wird der Nachweis der Eigensicherheit nun einfacher?
Für Anwender und Planer gilt: Wurden die verwendeten Geräte bzw. Field Switches nach 2-WISE bescheinigt, was sowohl in der EU-Baumusterprüfbescheinigung als auch auf dem Gerät selber gekennzeichnet ist, ist die Zusammenschaltung eigensicher. Natürlich muss nach wie vor überprüft werden, ob die Geräte auch für die anfangs festgelegte explosionsfähige Atmosphäre geeignet sind, die Ports die richtige Zündschutzart aufweisen, also ia, ib oder ic und der Installationsort stimmt. Aber es müssen keine Berechnungen oder Kabeldimensionierungen durchgeführt werden.
Außerdem wichtig: Auch dieser sehr einfache Nachweis muss im Explosionsschutzdokument entsprechend dokumentiert werden.
12. Was kommt zum Schluss?
Das, was man gerne mal vergisst oder zumindest ungern macht – die Dokumentation. Alle Planungen, Untersuchungen und Nachweise – auch spätere Änderungen und Erweiterungen – müssen dokumentiert werden. Dies gilt speziell für Anlagen mit explosionsfähiger Atmosphäre. Daher sind Angaben, wie die Zoneneinteilung, Auswahl der Geräte und der vereinfachte Eigensicherheitsnachweis mit 2-WISE im Explosionsschutzdokument abzulegen. Dazu gehören auch netzwerktypische Informationen wie IP-Adressen usw.
Und dann steht einem sicheren Betrieb einer Ethernet-APL-Anlage nichts mehr im Wege.
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