Wie smarte Lichtsysteme Nachhaltigkeit und Automatisierung zusammenbringen
Obwohl die Beleuchtung in Industrieanlagen oft nur einen geringen Anteil am Gesamtenergieverbrauch hat, bietet sie erhebliche Einsparpotenziale. Durch den gezielten Einsatz moderner LED-Technik und digitaler Lichtmanagementsysteme – etwa auf Basis des DALI-Protokolls – lassen sich Energieverbrauch, Wartungsaufwand und Betriebskosten dauerhaft senken. Der Beitrag zeigt anhand konkreter Praxisbeispiele, wie durch Präsenz- und Tageslichtsensorik sowie automatisierte Notlichtprüfung zusätzliche Effizienzgewinne realisiert werden können.
Licht ist mehr als Beleuchtung – es ist Produktionsfaktor. In Industrieanlagen sorgt es für Sicherheit, ermöglicht präzises Arbeiten und beeinflusst Konzentration und Ergonomie. Gleichzeitig läuft es im Betrieb oft unauffällig mit – Tag für Tag, Schicht für Schicht. Genau darin liegt eine oft unterschätzte Chance: Denn wer die Beleuchtung systematisch optimiert, kann nicht nur Energie sparen, sondern auch Wartungskosten senken, Prozesse stabilisieren und die Anlagenverfügbarkeit verbessern.
Zunächst mag es überraschen, warum sich Automatisierungsverantwortliche mit Beleuchtung befassen sollten. Denn im Vergleich zu Prozesswärme, Antriebstechnik oder Kühlung erscheint der Energieanteil gering. Doch die Optimierung lohnt sich nicht nur aus Kostengründen, sondern auch wegen steigender ESG-Anforderungen.
Von der Röhre zur LED: Basis für Energieeffizienz
Die Grundlage für eine energieeffiziente Lichtlösung bildet der Wechsel von konventionellen Leuchtmitteln – insbesondere T8- und T5-Leuchtstoffröhren – zu LED-Technologie. Viele Anlagen verwenden noch konventionelle Leuchtmittel wie T8-Röhren, die rund 75 Prozent der Beleuchtung ausmachen. Dies führt zu hohen Betriebskosten und hohem Wartungsaufwand. In großen Anlagen bleibt die Beleuchtung oft an, da der organisatorische und technische Aufwand zum Ausschalten zu groß ist.
LED-Leuchten sind nicht nur energieeffizienter, sondern auch langlebiger, was zu erheblichen Kosteneinsparungen bei Wartung und Betrieb führt. Ein Beispiel verdeutlicht das Einsparpotenzial: Werden in einer Raffinerie 50.000 Leuchtstofflampen mit je 58 Watt durch LED-Leuchten ersetzt, lassen sich bei einer durchschnittlichen täglichen Brenndauer von zwölf Stunden mehr als sechs Millionen Kilowattstunden pro Jahr einsparen.
Seit dem EU-weiten Aus für T8- und T5-Röhren im August 2023 ist der Handlungsdruck stark gestiegen. Für Anlagen der Chemie, in denen explosionsfähige Atmosphären auftreten können (Ex-Bereich) gibt es zwar Ausnahmen, doch mit Blick auf die Lebensdauer der Leuchtmittel und den Wartungsaufwand lohnt sich ein Wechsel zu LED-Beleuchtung hier noch viel mehr.
Intelligente Steuerung als Effizienzhebel
Der wahre Hebel in Sachen Energieeffizienz liegt aber nicht nur in der LED selbst, sondern in ihrer intelligenten Steuerung. Moderne Systeme erfassen nicht nur Tageslichtverhältnisse, sondern auch die Anwesenheit von Personen. Die Lichtleistung wird dann automatisch bedarfsgerecht angepasst – nicht nur im Sinne der Energieeinsparung, sondern auch mit Blick auf den Verschleiß der Komponenten. Denn gedimmte LEDs erzeugen weniger Wärme und halten dadurch länger – oft doppelt so lange wie bei Volllast. Die Leuchten können so konfiguriert werden, dass sie nur dann wirklich aktiv sind, wenn es notwendig ist. In Kombination mit professioneller Lichtplanung lassen sich häufig Leuchten einsparen oder besser platzieren, sodass der Installationsaufwand reduziert und die Effizienz maximiert wird.
Theoretisch lassen sich durch verschiedene Maßnahmen die folgenden Einsparungen erzielen:
- 40 % elektrische Energie lassen sich durch den Einsatz von Retrofit-LED-Lösungen sparen: Dabei wird das Leuchtmittel klassischer T8 oder T5-Leuchtstoffröhren durch ein LED-Leuchtmittel ersetzt.
- 50 % elektrische Energie können eingespart werden, wenn Leuchtstofflampen durch LED-Leuchten ersetzt werden.
- Bis zu 70 % weniger elektrische Energie als klassische Leuchtstoffröhren benötigen Beleuchtungssysteme, bei denen die LED-Leuchten in Abhängigkeit vom Tageslicht und von der Anwesenheit von Betriebspersonal gesteuert werden.
- Und noch einmal weitere 10 % lassen sich sparen, wenn die Beleuchtungslösung auf einer professionellen Lichtberechnung basiert.
Drei Praxisbeispiele im direkten Vergleich
Soweit die Theorie. Aber werden diese Einsparungen auch in der Praxis erreicht? Um diese Frage zu beantworten, wurden in drei verschiedenen Installationen Messungen durchgeführt. Über einen Zeitraum von einem Monat wurden in kurzen Intervallen Strommessungen durchgeführt. In zwei Anlagen wurde dabei das gesamte Beleuchtungssystem erfasst, in einem Ex-Bereich der SIKA-Chemie in Stuttgart ein repräsentativer Abschnitt einer Anlage.
Zentraler technischer Baustein in allen drei Projekten ist der Einsatz von DALI (Digital Addressable Lighting Interface). Dieses standardisierte, herstellerunabhängige Protokoll (gemäß IEC 62386) ermöglicht die bidirektionale Kommunikation zwischen Leuchten, Sensoren und Steuerungseinheiten. DALI arbeitet über eine einfache zweiadrige Busleitung, die stern-, linien- oder baumförmig verlegt werden kann (Ringstrukturen sind ausgeschlossen). Innerhalb eines DALI-Kreises lassen sich bis zu 64 Adressen vergeben, wodurch jede Leuchte individuell angesteuert, gedimmt oder überwacht werden kann. In Kombination mit Präsenz- und Helligkeitssensoren lassen sich tageslichtabhängige Konstantlichtregelungen sowie präsenzgesteuerte Szenarien umsetzen. Gleichzeitig erlaubt DALI die zentrale Rückmeldung von Zustandsdaten – etwa über den Leuchtenstatus oder Prüfprotokolle bei Sicherheitsleuchten. So entsteht ein durchgängig überwachbares, wartungsfreundliches und energieeffizientes System.
Beispiel 1 – Kuraray Europe, Frankfurt: Zeltlager mit Tageslichtnutzung
Im ersten Praxisbeispiel bei Kuraray Europe wurde ein neu errichtetes Lagerzelt mit einem modernen Lichtmanagementsystem (LMS) ausgestattet. Die besondere bauliche Situation – lichtdurchlässige Zeltwände – ermöglichte eine intensive Nutzung des Tageslichts. Ergänzt wurde das System durch sechs Sensoren, die sowohl Präsenz als auch Umgebungshelligkeit erfassen. In dem Zelt sind 24 standardisierte DALI-Leuchten sowie 12 DALI-Notleuchten installiert, die gemeinsam über eine zentrale Steuerung betrieben werden. Die Energieverbrauchswerte wurden über einen Zeitraum von rund vier Wochen (März–April 2025) in 5-Minuten-Intervallen erfasst. Der Vergleich erfolgte mit einem virtuellen Szenario, bei dem dieselben Leuchten ohne Lichtmanagement ganztägig mit 100 % Leistung betrieben worden wären. Das Ergebnis: eine durchschnittliche Einsparung von 94,5 % während der Betriebszeiten. Diese außergewöhnlich hohe Quote erklärt sich durch die geringe tatsächliche Nutzungsdauer des Raums, die hohe Tageslichtverfügbarkeit sowie die automatische Dimmung über das System.
Beispiel 2 – SIKA Deutschland, Stuttgart: Ex-Zone mit hoher Frequentierung
Aber auch in Bereichen mit deutlich höherer Nutzungsintensität zeigen sich klare Vorteile. In einem zweiten Praxisbeispiel wurde bei SIKA Deutschland in Stuttgart eine Produktionsanlage (Ex-Zone 1) für die Abfüllung von Lösungsmitteln mit einem DALI-basierten Lichtmanagementsystem ausgestattet. Hier kamen insgesamt 144 DALI-Leuchten und 58 DALI-Notleuchten zum Einsatz, ergänzt durch 25 Sensoren, die über ein weiteres System kommunizierten: KNX, ein weltweit etabliertes Feldbussystem für die Gebäudeautomation. Die Kopplung von DALI und KNX erfolgte über ein Gateway, sodass eine integrierte Steuerung ermöglicht wurde. Aufgrund des dichten Maschinenparks war die Tageslichtnutzung stark eingeschränkt. Die Messung umfasste eine repräsentative Leuchtengruppe und wurde über einen Zeitraum von vier Wochen durchgeführt. Trotz nahezu durchgängiger Präsenz und begrenztem Tageslicht wurden durchschnittlich 35,6 % Energieeinsparung realisiert.
Beispiel 3 – R. STAHL, Weimar: Hochregallager mit Vergleichsmessung
Ein drittes Projekt im Hochregallager des R. STAHL Werks in Weimar erlaubte eine noch differenziertere Auswertung. In dieser bestehenden Anlage (Brownfield) wurde zunächst ein Vergleich zwischen der konventionellen Beleuchtung (Mischung aus Leuchtstoffröhren und einzelnen LED-Flutern) und einem modernen, neu geplanten LED-System durchgeführt. Durch die lichttechnische Neuplanung mit ausschließlich linearen LED-Leuchten wurden zunächst 52 % Energieeinsparung gegenüber dem Altbestand erzielt. Die Implementierung des DALI-basierten Lichtmanagementsystems – mit 122 Leuchten in 19 Gruppen sowie 22 Präsenz- und Tageslichtsensoren – brachte zusätzliche Einsparungen von durchschnittlich 35 %, sodass insgesamt eine Reduktion des Energieverbrauchs um 87 % im Vergleich zur ursprünglichen Altanlage erreicht wurde. Besonders bemerkenswert war hier die saisonale Differenz: Während im Sommer bis zu 71 % des Energiebedarfs allein durch das Lichtmanagement eingespart wurden, lag der Wert im lichtärmeren November bei immer noch 63 %. Alle Messwerte wurden kontinuierlich mit industriellen Leistungsmessgeräten aufgezeichnet und validiert.
Diese Praxisbeispiele zeigen: Die Einführung eines Lichtmanagementsystems auf DALI-Basis ermöglicht nicht nur substanzielle Energieeinsparungen, sondern erhöht zugleich die Betriebssicherheit und reduziert die personellen Aufwände für Wartung und Dokumentation – insbesondere in sicherheitskritischen oder schwer zugänglichen Bereichen.
Flexibilität und Wartung im Fokus
Die Einsparpotenziale sind jedoch nur ein Teil der Wahrheit. Viel entscheidender für viele Betreiber sind die Aufwände bei Wartung und Betrieb. Die Leuchten müssen seltener getauscht werden – ein besonders relevanter Punkt in Ex-Zonen, wo jeder Austauschprozess mit Freigabeprozeduren und eventuell sogar einem Anlagenstillstand verbunden ist. Gleichzeitig können durch die zentrale Steuerung Lichtzonen flexibel angepasst werden – etwa bei Umstrukturierungen im Hallenlayout. Jede Leuchte ist adressierbar, sodass Änderungen ohne Umverdrahtung möglich sind.
Besonders relevant ist für Betreiber wie die SIKA Chemie (Beispiel 2) ein weiterer Aspekt: die automatisierte Prüfung der Notbeleuchtungssysteme. Gemäß DIN EN 60598-2-22 sowie weiteren Normen müssen Notleuchten mit Einzelbatterieversorgung wöchentlich auf ihre Funktionsfähigkeit überprüft werden. Zusätzlich ist in der Regel ein jährlicher Dauertest durchzuführen, bei dem die Bemessungsbetriebsdauer simuliert und das Verhalten der Leuchte dokumentiert wird. In konventionellen Systemen erfolgt diese Prüfung manuell: Ein Mitarbeiter muss die Leuchten physisch begehen, Sichtprüfungen durchführen (z. B. Status-LEDs auslesen), ggf. Funktionsumschaltungen auslösen, und die Ergebnisse anschließend dokumentieren. Dieser Vorgang ist zeitintensiv, personalaufwändig und fehleranfällig – insbesondere in weitläufigen oder schwer zugänglichen Bereichen wie Ex-Zonen.
Im Gegensatz dazu ermöglicht ein LMS auf DALI-Basis die vollständig automatisierte Prüfung und Dokumentation. Jede Leuchte sendet ihren Status aktiv an die Zentrale, Testläufe werden zeitgesteuert ausgelöst (z. B. wöchentlich samstags außerhalb der Betriebszeit) und alle Ergebnisse werden in einem digitalen Logbuch gespeichert. Bei Abweichungen oder Fehlern kann eine automatisierte Benachrichtigung erfolgen – etwa per E-Mail oder über die Gebäudeleittechnik. Dadurch entfällt der manuelle Kontrollgang vollständig, Prüfpflichten werden normkonform erfüllt und die Betriebssicherheit steigt. Nicht zuletzt lässt sich so auch die Wartung besser planen: Defekte oder auffällige Leuchten werden gezielt identifiziert und müssen nicht „auf Verdacht“ kontrolliert werden.
DALI-ready ermöglicht Investition in Etappen
Wichtig ist dabei auch, dass moderne Systeme modular gedacht sind und die Investition in Etappen erfolgen kann: Wird in einer Installation ohne LMS eine DALI-ready-Leuchte eingesetzt, kann diese zunächst wie eine normale Leuchte betrieben werden. Der Betreiber hat so die Möglichkeit, später ein LMS nachzurüsten – ohne Austausch oder Neuverkabelung.
Ein für Betreiber wichtiger Aspekt ist zudem, dass Lichtmanagementsysteme und -installationen wie die in den Beispielen erwähnten nicht zwangsläufig intensives Know-how beim Betriebspersonal erfordern. Der Lieferumfang beginnt bei der Planungsunterstützung und reicht von der Lichtberechnung über die Inbetriebnahme und Parametrierung bis hin zur Wartung. Im Werk Weimar steht zudem eine Demoanlage zur Verfügung, bei der sich das komplette System in Echtzeit testen und erleben lässt – inklusive Visualisierung, Sensorik und Prüfprotokollierung.
Fazit: Geringer Aufwand, große Wirkung
Auch wenn die Beleuchtung nur ein kleines Rädchen im industriellen Energiesystem ist – es ist eines mit erstaunlich großer Hebelwirkung. Für Automatisierungsverantwortliche bietet sich hier eine attraktive Möglichkeit, mit geringem Aufwand einen messbaren Beitrag zu Energieeffizienz, Nachhaltigkeit und Betriebssicherheit zu leisten.
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