Ethernet-APL und funktionale Sicherheit – geht das?

Ethernet-APL schickt sich an, der digitale Backbone für die Feldebene in Prozessanlagen zu werden. Doch wie steht es um die Infrastruktur der funktionalen Sicherheit? Bietet Ethernet-APL in Sicherheitssystemen dieselbe Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit wie die 4…20 mA-Technik? Und ist Ethernet-APL nicht anfällig gegenüber Cyberangriffen? Zeit für eine Bestandsaufnahme!

In der Prozessindustrie und bei sicherheitskritischen Anwendungen wird seit Jahrzehnten auf die bewährte 4...20-mA-Technologie gesetzt. Diese Technologie liefert einfache und zuverlässige analoge Signale für Mess- und Regelkreisläufe. Allerdings stößt sie zunehmend an ihre Grenzen, insbesondere im Hinblick auf die Anforderungen moderner Industrie-4.0-Konzepte und die zunehmende Vernetzung digitaler Geräte. Die Implementierung digitaler Feldbustechnologien hat zwar die Verfügbarkeit von Diagnoseinformationen verbessert, doch die Integration dieser Systeme gestaltet sich oft als komplex. Zudem bieten sie nur eine begrenzte Datenrate und -transparenz. Diese Nachteile wird Ethernet-APL beseitigen.

Warum Ethernet-APL eine bessere Lösung für funktionale Sicherheit bietet

Ethernet-APL (Advanced Physical Layer) hat zahlreiche Vorteile: Es ermöglicht eine vollständig digitale Kommunikation in der Feldebene bei gleichzeitiger Unterstützung von explosionsgefährdeten Bereichen bis Zone 0 und einer Übertragungsrate von 10 Mbit/s über ein zweiadriges Kabel. Die Technologie vereinfacht die Anbindung von Feldgeräten und erlaubt sowohl die Stromversorgung als auch die Datenübertragung über dasselbe Kabel – beides in der Zündschutzart „Eigensicherheit i“. Dies bedeutet eine erhebliche Reduzierung des Verkabelungsaufwands und der Komplexität im Vergleich zur 4...20-mA-Technologie. Ethernet-APL ist zudem vollständig interoperabel mit Industriestandards wie PROFINET und PROFIsafe, was die nahtlose Integration in bestehende Anlagen ermöglicht.

Trotz der offensichtlichen Vorteile von Ethernet-APL gibt es Bedenken seitens der Anwender, insbesondere in den Bereichen Zuverlässigkeit, Cybersecurity und funktionale Sicherheit. Das war schon bei der Einführung von Feldbussen so: Die Safety-Infrastruktur wurde auch in Anlagen, bei denen die Prozesssteuerung über einen Feldbus erfolgt immer noch konventionell mit 4…20 mA-Technik aufgesetzt. Weil das aber einen erhöhten Aufwand bei der Implementierung und Instandhaltung zur Folge hat, wünschen sich Prozessbetreiber schon lange eine durchgängige digitale Kommunikation, in der sowohl Geräte der Regelungstechnik als auch der Sicherheitseinrichtungen dieselbe Kommunikationstechnologie nutzen. Und dies ermöglicht Ethernet-APL. Dennoch bleiben auch hier die zu Beginn gestellten Fragen.

1. Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit

Viele Anwender stellen die Frage, ob Ethernet-APL die gleiche Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit wie die etablierte 4...20-mA-Technologie bietet. Die Antwort darauf ist ein klares Ja. Ethernet-APL wurde speziell für industrielle Anwendungen entwickelt, einschließlich der rauen Umgebungen in der Prozessindustrie. Die Technologie unterstützt Topologien wie Stern- oder Ringstrukturen, die eine hohe Verfügbarkeit gewährleisten. Bei einem Ausfall eines Geräts bleibt das System stabil, da durch die Ringstruktur alternative Kommunikationswege vorhanden sind. Feldtests, wie beispielsweise bei BASF, haben gezeigt, dass Ethernet-APL auch in SIL-3-Anwendungen eine zuverlässige Kommunikation sicherstellt. Mit Ethernet-APL kann das Sicherheitsprotokoll PROFIsafe genutzt werden. PROFIsafe hat sich in der Fabrikautomation längst bewährt und kann über Ethernet-APL auch für die sichere Übertragung von sicherheitsrelevanten Daten zwischen Steuerungen, Sensoren und Aktoren in der Prozessindustrie genutzt werden.

2. Cybersecurity

Da Ethernet-APL eine IP-basierte Technologie ist, sind Sicherheitsbedenken hinsichtlich möglicher Cyberangriffe berechtigt. Doch beim Vergleich von Ethernet-APL mit der bisher genutzten 4…20 mA Technik mit HART-Kommunikation oder Feldbussen wie PROFIBUS DP oder PA darf nicht vergessen werden, dass diese verhältnismäßig einfach das Ziel von internen und teilweise auch externen Cyberangriffen werden können. Ethernet-APL nutzt jedoch moderne Protokolle mit zusätzlichen Security Funktionen, wie PROFINET, die eine sichere Kommunikation über Verschlüsselung und Authentifizierung ermöglichen. Durch den Einsatz von Public-Key-Infrastrukturen (PKI) wird sichergestellt, dass nur autorisierte Geräte Zugriff auf das Netzwerk haben. Zudem werden Denial-of-Service-Angriffe durch den Einsatz von Defense-in-Depth-Strategien abgewehrt, die sicherstellen, dass mehrere Schutzschichten greifen. Ausgereifte Protokollstandards wie PROFINET und OPC UA bieten bereits jetzt Mechanismen zur Absicherung der Integrität und Authentizität von Daten.

3. Funktionale Sicherheit

Ethernet-APL ist in der Lage, die gleichen funktionalen Sicherheitsanforderungen wie die 4...20-mA-Technologie zu erfüllen. Mit PROFIsafe, das als bewährtes Sicherheitsprotokoll für industrielle Netzwerke etabliert ist, können Daten sicher zwischen Steuerungen und Feldgeräten ausgetauscht werden. Es gibt bereits SIL-3-zertifizierte Lösungen, wie ein Testaufbau bei BASF in Ludwigshafen zeigt: Hier wurde nachgewiesen, dass Ethernet-APL in Kombination mit PROFIsafe hochverfügbare Sicherheitsanwendungen unterstützt. Die Infrastruktur aus Kabeln und Field Switches kann auch in sicherheitsrelevanten Installationen verwendet werden – lediglich Feldgeräte und Controller müssen das Sicherheitsprotokoll unterstützen. 

Wie erfüllt Ethernet-APL sowohl Mess- und Regelaufgaben als auch funktionale Sicherheitsanforderungen?

Ethernet-APL ermöglicht eine einheitliche digitale Kommunikationsinfrastruktur, die sowohl Mess- und Regelaufgaben als auch Sicherheitsanforderungen erfüllt. Die Technologie erlaubt die direkte Kommunikation zwischen Sensoren und Steuerungen, ohne die Notwendigkeit von Konvertierungen oder separaten Systemen. Die einheitliche und durchgängige Kommunikation zahlt sich auch durch einen geringeren Wartungsaufwand aus: Die Geräteverwaltung wird entschlackt und Geräte können auf Basis von Anwendungsprofilen im Fehlerfall einfach ausgetauscht werden. Mit PROFIsafe können sicherheitsrelevante Daten über dieselbe Infrastruktur wie die Prozessdaten übertragen werden. Dies vereinfacht die Planung und reduziert den Wartungsaufwand, da man keine getrennten Systeme für Prozesssteuerung und funktionale Sicherheit mehr benötigt.

Erste erfolgreiche Implementierungen von Ethernet-APL in sicherheitskritischen Anwendungen zeigen, dass die Technologie in der Praxis funktioniert und hohe Sicherheitsanforderungen erfüllt. Ethernet-APL ist bereits in Kombination mit PROFIsafe für SIL-3-Anwendungen zertifiziert, was das Vertrauen in die Technologie weiter stärkt.

Von analoger 4...20 mA-Technik zur digitalen Ethernet-APL-Kommunikation

Der Umstieg von der 4...20-mA-Technologie auf Ethernet-APL erfordert zwar eine Anpassung der bestehenden Infrastruktur, ist jedoch einfacher als gedacht. Ethernet-APL ist kompatibel mit einigen bestehenden Kabelinfrastrukturen, was die Kosten und den Aufwand der Umstellung reduziert. Zudem sind viele der neuen Geräte rückwärtskompatibel, was bedeutet, dass bestehende Technologien weiterhin genutzt werden können. Durch die Reduktion der Verkabelung, die Integration von Stromversorgung und Datenübertragung auf einer Leitung sowie die Möglichkeit zur Nutzung digitaler Zusatzinformationen können langfristig erhebliche Einsparungen bei den Planungs-, Betriebs- und Wartungskosten erzielt werden.

Fazit

Ethernet-APL ist ein entscheidender Enabler für Industrie 4.0, da es eine durchgängige Digitalisierung der Feldebene ermöglicht. Es unterstützt moderne Kommunikationsprotokolle wie OPC UA und ermöglicht so erweiterte Analyse- und Diagnosemöglichkeiten. Dies verbessert nicht nur die Effizienz, sondern auch die Transparenz und Steuerbarkeit von Prozessen in Echtzeit. Unternehmen, die auf Ethernet-APL setzen, profitieren von einer höheren Datenverfügbarkeit, geringeren Betriebskosten und einer vereinfachten Wartung.

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