Explosionsschutz ist ein Dauerbrenner. Entsprechend wichtig sind die regelmäßige Weiterbildung und der persönliche Erfahrungsaustausch in diesem Bereich. R. STAHL hat mit seinem regelmäßig stattfindenden Expertenforum ein entsprechendes Format für seine Kunden geschaffen, welches regelmäßig auf großes Interesse stößt – auch in diesem Jahr. Denn die Agenda versprach viel praxisbezogenes Wissen zu den aktuellen Herausforderungen: Neben den grundlegenden Problemstellungen wie Blitz- und Überspannungsschutz in Ex-Bereichen, Cyber Security und Funktionale Sicherheit, technische Lüftung sowie Schutzsysteme aus GFK, beschäftigte sich das Forum mit aktuellen Entwicklungen in der Normung und die Rolle der Instandhaltung für den Explosionsschutz. Besonderes Interesse weckten bei den Konferenzteilnehmern auch die aktuellen Trendthemen wie die EU-Abkündigung der T8 Leuchtstofflampe, die Digitalisierung mit Ethernet-APL und der sichere Umgang mit Wasserstoff. Auf Wunsch des Plenums wurde schließlich noch die Frage „was tun, wenn der Staatsanwalt kommt“ beantwortet.
Blitzschutz ist vorbeugender Brandschutz
Mit Blitz und Donner eröffnete Manfred Kienlein von der DEHN SE + Co KG seinen Vortrag auf dem Expertenforum. Maßnahmen gegen Blitz- und Überspannungseinwirkung sind wesentliche Bausteine im Schutzkonzept von Gebäuden. Sie bilden die Basis, um Brände zu verhindern, Menschen vor Verletzungen zu schützen und empfindliche wichtige Technik vor Schäden zu bewahren – Schutzziele, die zudem auf normativen Forderungen und gesetzlichen Vorschriften beruhen.
Ist Ex-Atmosphäre vorhanden, welche aufgrund örtlicher sowie betrieblicher Gegebenheiten gefahrdrohend ist, und besteht die Gefahr einer blitzbedingten Funkenbildung in diesen Bereichen, ist ein Blitzschutzsystem erforderlich. Warum? Da die Zündquelle Blitz gefahrdrohend ist. Ebenso wird ein Blitzschutzsystem benötigt, wenn die Gefahr von Wechselwirkungen besteht.
Stefan Ditting von der HIMA Paul Hildebrandt GmbH leitete seinen Vortrag zum Thema „Cyber Security und Funktionale Sicherheit“ mit der Ironie der Automation ein: „Je mehr wir automatisieren, desto geringer wird unsere Aufmerksamkeit.“ Dabei besagt das Paradox der Automation, „dass die Anforderungen an den Bediener mit der Effizienz der Automation steigen. Menschen müssen zwar weniger tun, aber das was sie tun ist kritischer.“ Deshalb spielt der Mensch auch eine wesentliche Rolle, damit sich Cyber Security und Funktionale Sicherheit nicht gegenseitig negativ beeinflussen.
EU-AUS für Leuchtstoffröhren – warum Anlagenbetreiber handeln sollten
Warum die Umrüstung auf LED-Technik Sinn macht, auch wenn die EU-Abkündigung der T8 Leuchtstofflampe nicht für den Ex-Bereich gilt, erläuterte Rico Schulz von R. STAHL:
- Die Kosten für T8 Lampen steigen.
- Die Energiekosten sind hoch und werden sich voraussichtlich weiter erhöhen.
- Die Entsorgung der T8 Lampen ist teuer.
- Die lange Lebensdauer der LED reduziert Wartungskosten.
- Die LED-Beleuchtung ist eine umweltfreundliche Beleuchtung – und die Gesetze zum Umweltschutz werden immer strenger.
Lüften gehört zum primären Explosionsschutz und bei der Auswahl der passenden Lüftung spielt der sekundäre Explosionsschutz eine Rolle. Dietmar Stockburger von der Maico Elektroapparate-Fabrik GmbH hatte zum Expertenforum zahlreiche Praxisbeispiele parat, welche die Umsetzung von Verdünnungslüftung, Entlüftung sowie Querlüftung veranschaulichten.
Mit großem Interesse verfolgten die Zuhörer im Anschluss dem Vortrag von Dr. Martin Thedens von der PTB in Braunschweig – denn von ihm bekamen sie Insights aus dem Bereich der Normung.
Ethernet-APL: Der neue Datenübertragungsstandard für die Prozessautomatisierung
Erfahrungen und Ausblicke lieferte auch Sven Seintsch, Bilfinger Enineering & Maintenance GmbH. Er referierte über das Trendthema Ethernet-APL. Ethernet Advanced Physical Layer (Ethernet-APL) ist die neue 2-Draht-Lösung für das Ethernet, basierend auf IEEE- und IEC-Standards. Damit können Prozessanlagen von den Geräten im Feld bis zur Leitwarte durchgängig digitalisiert werden. Die neue Technologie dringt auch in explosionsgefährdete Bereiche vor: Ethernet-APL unterstützt die Zündschutzart Eigensicherheit „i“ und ermöglicht damit den Ethernet-Zugang in Ex-Bereiche bis in die Zone 0. Ein weiterer Vorteil der Digitalisierung besteht in den umfangreichen Möglichkeiten zur Prozessüberwachung und Diagnose. Dadurch optimieren Anwender die Verfügbarkeit ihrer Anlagen. Entsprechend groß war das Interesse des Plenums am Thema – und somit auch am mit Erfahrungen gespickten Vortrag von Gerd Niedermayer von der BASF SE.
Die BASF hat bereits 2019 ein Ethernet-APL Testlabor aufgebaut und plant die Installation der ersten Ethernet-APL Geräte in einem Chemietanklager im nächsten Jahr. Denn die Vorteile von Ethernet-APL sind überzeugend:
- Ethernet-APL schafft eine durchgängige leistungsstarke Ethernet-Verbindung vom Gerät im Feld bis zur Leitwarte und ermöglicht damit die vertikale und horizontale Integration über die gesamte Anlage.
- Erstmals ist ein eigensicherer Ethernet-Zugang bis zum Feldgerät in die Zonen 0, 1 und 2 möglich.
- Ethernet-APL bringt hohe Datenraten von 10 Mbit/s ins Feld und versorgt die Feldgeräte über das Netzwerk mit eigensicherer Energie – über eine Entfernung von bis zu 1000 Meter.
„Ethernet-APL gehört die Zukunft“, ist sich Niedermayer sicher und somit ergaben sich im weiteren Verlauf des Expertenforums zahlreiche Diskussionen und erste Pläne zur Umsetzung.
Instandhaltung: eine der wichtigsten Säulen im Explosionsschutz
Sind Instandhalter potenzielle Brandstifter? „Nein“, lautete die Antwort von Axel Heuwinkel von der Axalta Coating Systems Germany GmbH & Co. KG. „Aber manchmal ist ihre Arbeit ein Glied in der Unglückskette.“ Und Beispiele dafür lieferte Heuwinkel genug:
- Verpuffung und Brand in einem Behälter-Rührwerk.
- Brand eines Dissolvers mit Ausbreitung auf die Produktionsanlage.
- Verpuffung in einer Behälterreinigungsanlage.
- Funkenbildung mit Glimmbrand an einer Lüftungsanlage.
- Brand auf einer Tankfarm für Lösemittel.
- Usw.
Die Ursachen können unterschiedlich sein. So reicht beispielsweise schon die Einführung von neuen Produkten mit geänderten physikalischen Eigenschaften, Austausch des Elektromotors mit mehr Leistung, erhöhte Drehzahlen an Anlagen aus, damit es zum Unglück kommt. Instandhaltung ist somit eine der wichtigsten Säulen im Explosionsschutz.
Praxisnah ging die Vortragsreihe auf dem R. STAHL Expertenforum weiter. Denn Rainer Hahnkemeyer, INTERTEC-Hess GmbH, klärte die Zuhörer über die Vorteile von Schutzsystemen für sensible Bauteile im Außenbereich aus GFK auf. Diese sind leicht, robust, korrosions- und feuerbeständig, langlebig sowie recycelbar.
Sicherer Umgang mit Wasserstoff
In der Öffentlichkeit wird gegenwärtig vorrangig auf die Chancen eingegangen, welche Wasserstoff als Energieträger und Rohstoff zukünftig eröffnet. Die Betrachtung der Risiken und deren ausreichende Verringerung kommt dagegen häufig zu kurz. So bietet insbesondere der Explosionsschutz einige besondere Herausforderungen, welche Ugur Ünal auf dem R. STAHL Expertenforum erläuterte.
Wasserstoff ist unter Normalbedingungen ein farb- und geruchloses Gas. Er ist nicht toxisch und verursacht keine Umweltschäden. Seine Dichte beträgt bei einer Temperatur von 0 °C 0,089 g/l. Im Freien verflüchtigt sich Wasserstoff daher schnell, denn Luft mit einer Dichte von 1,29 g/l ist 14-mal schwerer.
Wasserstoffmoleküle sind jedoch sehr klein. Daher besitzt Wasserstoff eine hohe Diffusionsfähigkeit, auch durch metallische Werkstoffe hindurch. An Korngrenzen oder Fehlstellen können Wasserstoffatome beispielsweise zur Metallversprödung führen. Daher bestehen an die Dichtheit von Wasserstoffapparaturen besondere Herausforderungen, die aber technisch durchaus beherrschbar sind.
Wasserstoff kann mit Sauerstoff explosionsfähige Gemische bilden (Knallgas). Sicherheitstechnisch interessant ist dabei der außergewöhnlich breite Explosionsbereich, der von 4 Vol.% (Untere Explosionsgrenze UEG) bis 77 Vol.% (Obere Explosionsgrenze OEG) reicht. Die Mindestzündenergie von 0,02 mJ ist eine der niedrigsten; in der gefährlichsten Zündgruppe IIC befinden sich neben dem Wasserstoff mit Acetylen und Schwefelkohlenstoff lediglich zwei weitere Gase. Im Widerspruch zu der niedrigen Zündenergie scheint die relativ hohe Zündtemperatur von 585 °C zu stehen. Diese Diskrepanz ist mit der hohen Wärmeleitfähigkeit von Wasserstoff zu erklären: Da immer der Nettozustrom von Wärme für das Auslösen von Explosionen entscheidend ist, bedarf es z. B. sehr heißer Oberflächen und lange Verweilzeiten, um eine genügend große Wärmemenge in ein Wasserstoff-Luft-Gemisch zu transportieren, bis die Zündung einsetzt.
Auch wegen der extrem hohen Flammengeschwindigkeit, die etwa achtmal höher ist als die einer Methanflamme, ist ein Wasserstoff-Luft-Gemisch außergewöhnlich. Bewusst genutzt, etwa in Raketenantrieben, führt diese Eigenschaft zu einem starken Impuls (Masse mal Flammenausbreitungsgeschwindigkeit). Bei ungewollten und unkontrollierten Wasserstoffexplosionen sorgt sie jedoch für eine besonders hohe Zerstörungskraft.
„Wirksame Schutzkonzepte und Explosionsschutz beim Umgang mit Wasserstoff sind deshalb wichtig – auch, weil Unfälle die Akzeptanz für Wasserstoff in der Bevölkerung gefährden“, sagt Ünal. Mögliche Maßnahmen sind in erster Linie die Dichtheit der Anlagen sicherzustellen und eine wirksame Belüftung, um Konzentrationen größer 1 % zu vermeiden.
Was tun, wenn der Staatsanwalt kommt? Diese Frage stellten sich zahlreiche Teilnehmer des Expertenforums und wünschten sich entsprechende Antworten. Diese gab Dr. Christoph Skoupil von der Anwaltskanzlei Gleiss Lutz. Mit seinen nützlichen Tipps, ist das Plenum nun für „den Fall der Fälle“ gerüstet.
Fazit
Der Explosionsschutz ist eingebettet in eine Vielzahl von technischen Entwicklungen und Markttrends. Weiterbildung und Austauschformate wie das R. STAHL Expertenforum werden deshalb immer wichtiger. Neben den Vorträgen zu aktuellen Themen gibt es dort auch genügend Zeit für Diskussionen und den persönlichen Austausch unter den Teilnehmern.
Neuen Kommentar schreiben