Liquefied Natural Gas (LNG) gewinnt seit einiger Zeit als Kraftstoff für Schiffsneubauten an Bedeutung. Waren es zunächst nur die LNG-Tanker selbst, für die das Boil-Off-Gas auch gleich für den Antrieb genutzt wurde, werden inzwischen nahezu alle möglichen Schiffsarten mit LNG-Motoren ausgerüstet. Insbesondere die ökologisch umstrittene Kreuzfahrtbranche erhofft sich eine größere Akzeptanz bei der zunehmend umweltbewussten Kundschaft. Vor allem aber können die weit häufigeren Handelsschiffe mit LNG deutlich emissionsärmer als bisher fahren.
Schweröl beherrschte lange die Weltmeer. Vor allem die ganz großen Tanker mit robusten Motoren nutzten es – und tun es häufig noch. Das billige „Residual Fuel Oil“ (RFO), das in Raffinerien als Reststoff anfällt, gibt es zwar in unterschiedlichen Qualitätsstufen mit verschieden großen Restanteilen höherwertigerem Treibstoff. Vor allem ist der Schwefelgehalt unterschiedlich. Gereinigter, besonders schwefelarmer Treibstoff ist bei Einfahrt in eine ECA, eine Emission Control Area wie Nord- und Ostsee, die Küstenlinien vor Kalifornien und Nordamerika sowie die Küstengewässer um Puerto Rico ein Muss. Schwefelfilter, so genannte Scrubber werden bei älteren Schiffen oft nachgerüstet, um die schwefel- und stickstoffhaltigen Abgase zu reinigen. Darüber hinaus gehört mit Schwermetall belasteter Feinstaub und Ruß zu den unerwünschten Emissionen.
Weit weniger giftige Emissionen verursacht Marinedieselöl (MDO), das häufig in kleineren Seeschiffen zum Einsatz kommt. Doch unterm Strich ist die Schifffahrt bislang noch ein großer Luftverschmutzer. Der Schifffahrtssektor gehört zu den zehn größten Verursachern von Treibhausgasen. Besonders Hafenstädte leiden unter den krebserregenden Emissionen.
Saubere Technologien laut MARPOL und IMO
Es steht außer Frage, dass die Schifffahrt über kurz oder lang von fossilen Energieträgen unabhängig werden muss. Schon im MARPOL-Übereinkommen von 1973 verpflichteten sich viele Staaten dazu, die Meeresumwelt zu schützen. Die Luft gehört dazu. Laut „Initial IMO Strategy“ 2050 will die Branche die gesamten jährlichen Emissionen um mindestens 50 Prozent gegenüber 2008 reduzieren und die Treibhausgas-Emissionen komplett vermeiden. Auf der UN-Klimakonferenz 2022 in Scharm el-Scheich bekräftigte die Initiative „Green Shipping Challenge“ die Notwendigkeit, auf klimaneutrale Antriebe umzusteigen. Zu den Initiatoren gehören die USA. Damit wächst die Hoffnung, dass diese nun auch nationale Gesetze für den Seeverkehr einführt, die einen Markt für saubere Technologien schaffen. Auch die EU verhandelt derzeit über eine Gesetzgebung, die die zulässigen Emissionsmengen schrittweise einschränken soll. Die Zukunft gehört wohl Schiffen, die mit Wasserstoff oder den aus ihm erzeugten, besser transportier- und handhabbaren flüssigen Treibstoffen Methanol, Ammoniak oder LOHC (flüssige organische Wasserstoffträger) angetrieben werden. Diese müssen dann selbstverständlich „grün“, also klimaneutral erzeugt werden.
LNG als Brückentechnologie zum klimaneutralen Antrieb
Wie aber ist die Übergangszeit bis 2050 zu meistern? Einen Lösungsansatz bietet LNG, also verflüssigtes Erdgas, das im Wesentlichen aus Methan besteht. Bereits seit den 1960er Jahren wird es im Seeverkehr eingesetzt. Es verbrennt deutlich sauberer als Marinediesel oder gar Schweröl und ist gänzlich schwefelfrei. Zudem arbeiten mit LNG angetriebene Schiffsmotoren mit höherer Effizienz, was die CO2-Bilanz verbessert. Methan gehört jedoch zu den Treibhausgasen mit der stärksten Klimawirkung. Klimafreundlicher ist ein LNG-Schiffsantrieb daher nur, wenn man den Methanschlupf in der Vorkette (also etwa bei der Förderung und Verflüssigung) sowie im Schiffsmotor im Griff hat. Gelingt dies, kann LNG zur Brückentechnologie werden. Ein späterer Umstieg auf nachhaltig produziertes Bio-LNG wäre ohne weitere Schiffsumbauten möglich.
LNG-Carrier waren die Pioniere
Die ersten Schiffe, die zumindest teilweise mit LNG angetrieben wurden, waren die LNG-Carrier selbst. Ein Teil des auf ihnen produzierten LNGs verdampft ständig. Dieses sogenannte Boil-off-Gas kann für den Antrieb genutzt werden. Der weltweit erste LNG-Tanker, die Methane Pioneer, wurde ab 1958 betrieben, in erster Linie als Experimentalfahrzeug. In ihren beiden Nachfolgern derselben Klasse wurde verdampfendes LNG im Schiffskessel verfeuert. Mit dem erzeugten Dampf wurde über eine Turbine der Schiffspropeller angetrieben. Ab 2006 kamen mehr und mehr der effizienteren Dual-Fuel-Motoren zum Einsatz, die sich mit Methan oder Schweröl betreiben lassen.
Auf skandinavischen Fähren Erfahrungen gesammelt
Vorreiter bei der Nutzung von LNG als Treibstoff waren die skandinavischen Länder, insbesondere Norwegen. Das erste mit LNG betriebene Nicht-LNG-Transportschiff, die Fähre Glutra, wurde dort im Jahr 2000 in Betrieb gestellt. Seit 2008 wurden zahlreiche skandinavische Schiffe umgerüstet. Fähren, Frachtschiffe und Offshore-Versorgungsschiffe werden mit LNG angetrieben und an zahlreichen Small-Scale-Stationen entlang der norwegischen Küste gebunkert. In Schweden verkehrt das mit LNG angetriebene 200 Meter lange Fährschiff Viking Grace seit 2013 zwischen Stockholm und dem finnischen Turku durch die Schärenlandschaft. In den folgenden Jahren entstanden immer mehr LNG-betriebene Schiffe – und ihre Betreiber machten fast alle gute Erfahrungen.
LNG-Antrieb für umweltbewusste Kreuzfahrer
Seit ca. 2017 bauen immer mehr Reedereien auf den LNG-Antrieb für neue Schiffe oder rüsten bestehende Schiffe um. Öffentlichkeitswirksam wurde 2018 das weltweit erste vollständig mit LNG betriebene Kreuzfahrtschiff, die AidaNova, in Dienst gestellt. Seitdem entstanden weitere LNG-Kreuzfahrtschiffe, u. a. die AidaCosma, die Mardi Gras von Carnival, die Costa Smeralda und die Costa Toscana, die Disney Wish und die Iona von P&O Cruises. Viele weitere sind im Bau. Auch Tui Cruises, Royal Caribbean und Princess Cruises nehmen zwischen 2023 und 2026 LNG-Kreuzfahrtschiffe in Betrieb. Einige wie etwa TUI Cruises betonen, dass ihre Schiffe perspektivisch mit klimafreundlichem Bio-LNG oder E-LNG betrieben werden können. Auch der spätere Betrieb mit grünem Methanol sei möglich. Als erster Anbieter setzt MSC Cruises auf eine Kombination aus LNG und Festoxid-Brennstoffzelle (SOFC), die den Ausstoß von Treibhausgasen um 30 Prozent gegenüber üblicherweise genutzten LNG-Motoren reduzieren soll. Das futuristisch anmutende Schiff, die MSC World Europa, wurde im November 2022 in Katar getauft. Es ist derzeit das weltweit größte Kreuzfahrtschiff mit LNG-Antrieb. Mit der Havila Capella ist seit 2021 sogar ein LNG-Kreuzfahrtschiff unterwegs (nämlich auf der norwegischen Hurtigruten), das vier Stunden lang rein batteriebetrieben fahren kann.
Schwieriger ist der Überblick über die Aktivitäten beim Bau LNG-betriebener Frachtschiffe. Allein über 640 LNG-Tanker, die in der Regel das Boil-off-Gas für den Antrieb nutzen, sind derzeit auf den Weltmeeren unterwegs. Bis 2025 sollen rund 200 weitere LNG-Tanker dazukommen; sie sind bereits bestellt und im Bau. Betrieben bislang griechische Reedereien wie Maran Gas die größten Flotten, so ändert sich das gerade. Katar, das Verträge über den Bau von 100 LNG-Carriern geschlossen hat, wird bald die Rangliste anführen.
Bald über 800 LNG-betriebene Seeschiffe neben den LNG-Tankern
Laut der LNG-Interessenvertretung Sea-LNG sind derzeit (Ende 2022) darüber hinaus rund 295 LNG-betriebene Seeschiffe auf den Weltmeeren unterwegs. Zirka 510 weitere waren zu diesem Zeitpunkt in Bestellung bzw. im Bau. Sea-LNG schätzt, dass zehn bis 20 Prozent der neu bestellten Schiffe mit LNG-Antrieb ausgerüstet werden, darunter neben Kreuzfahrtschiffen auch Massengutfrachter, Containerschiffe und Rohöltanker. Besonders sticht die CMA CGM Jacques Saadé heraus, das erste LNG-betriebene Containerschiff der ULCS- (Ultra Large Container Ship) -Klasse mit 400 m Länge. Sie lief 2019 vom Stapel. Ihr folgten 2019 und 2020 drei weitere Schiffe derselben Größe von CMA CGM. Insgesamt verfügt die Reederei über eine Flotte von 26 Schiffen mit LNG-Antrieb. Mit 200 m Länge nicht ganz so groß sind die ersten Autotransporter Siem Confucius und Siem Aristotle, die 2019 bzw. 2020 in Dienst gestellt wurden.
LNG-Infrastruktur zur Bebunkerung muss global nachziehen
All diese Schiffe müssen natürlich auch betankt werden. Wie auf dem Bunker-Navigator von Sea-LNG ersichtlich, befinden sich die meisten festen LNG-Bunkerstandorte in Europa und im Südosten der USA. Hinzu kommen zwei LNG-Bunkerstandorte an der US-Westküste sowie im Südwesten Kanadas. Weitere werden in Südkorea, Japan, China, Oman, Südafrika und Panama betrieben. Zum Teil handelt es sich dabei um Schiff-zu-Schiff-Bunkerung. LNG-Bunkerschiffe decken zwar einige weitere Länder, darunter Australien und Brasilien ab. Dennoch sind noch viele Regionen weltweit nicht mit LNG-Infrastruktur und Bunkermöglichkeiten erschlossen. Eine rege Bautätigkeit ist hier parallel zum Ausbau der LNG-betriebenen Flotte zu erwarten. Parallel gibt es weltweit viele Bestrebungen, die Herstellung von Biomethan und synthetischem Methan zu forcieren. Verflüssigt können diese analog zu LNG eingesetzt werden. So bestünde die Möglichkeit, die Schifffahrt weiter von fossilen Kraftstoffen unabhängig zu machen und zu ihrer Dekarbonisierung beizutragen.
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