LNG – mehr als nur Lückenfüller in der Energiekrise

Die Nachfrage nach LNG boomt. Bereits in den zurückliegenden fünf Jahrzehnten stieg das weltweite Handelsvolumen von LNG stetig. Welche Rolle wird es in Zukunft spielen? Als sauberster unter den fossilen Energieträgern, der zudem auch in einer grünen Variante zu haben ist, wird LNG wohl noch lange genutzt werden.

Flexible Importquellen für mehr Energiesicherheit

Viele Länder setzen schon lange darauf, Erdgas zumindest zum Teil auch in verflüssigter Form als LNG (Liquefied Natural Gas) mittels Tankern zu importieren. Als Importeur von Flüssiggas bleibt man von einzelnen Lieferanten weitgehend unabhängig. Die meisten EU-Küstenstaaten besitzen daher Importterminals für Flüssigerdgas. Und auch viele Länder Asiens und Amerikas verfügen darüber.

Anders Deutschland. Bisher jedenfalls, denn seit Mitte 2022 wird mit Hochdruck eine Infrastruktur zur Entladung, Speicherung und Regasifizierung von LNG errichtet. Trotz einer Beschleunigung der Energiewende kann das Land, das weiterhin am Kohle- und Atomausstieg festhält, auf Jahre hinaus nicht auf Erdgas verzichten. Zum einen wird es von energieintensiven Industrien, die Methan zum Teil zudem als Rohstoff nutzen, benötigt. Zum anderen ist der Ausbau von CO2-neutralen Alternativtechnologien für die Energieversorgung noch lange nicht so weit fortgeschritten wie geplant.

Erdgaskraftwerke stützen Energiewende

Schon länger ist klar, dass Erdgas als Brückentechnologie für den Übergang zu erneuerbaren Energien von großer Bedeutung ist. Im gegenwärtigen Strommix haben Photovoltaik und Windkraft zwar in den meisten Ländern bereits eine große Bedeutung und ihr Ausbau schreitet voran. Doch die darauf beruhende Stromerzeugung ist volatil und nur bedingt vorhersehbar. Solange nicht ausreichend Speichermöglichkeiten, etwa über Wasserstofferzeugung per Elektrolyse oder Pumpspeicher, zur Verfügung stehen, müssen Reservekraftwerke vorgehalten werden. Diese sollen möglichst flexibel einsetzbar sein. Für Gaskraftwerke trifft dies – anders als etwa für Kern- oder Kohlekraftwerke – zu. Sie können auch kurzfristig Unterschiede von Stromangebot und -nachfrage ausgleichen.

Zudem verliert Kohle als Energieträger inzwischen auch in den Schwellenländern an Bedeutung. Erdgas ist einfach der am wenigsten klimaschädliche unter den fossilen Energieträgern. Der Carbon Footprint von Erdgas (nicht verflüssigt) unter Berücksichtigung von Förderung, Aufbereitung, Transport und Speicherung ist deutlich günstiger als der von Kohle oder Erdöl, so die Studie „Carbon Footprint Natural Gas 1.1. Gegenüber Stein- und Braunkohle beträgt der Klimavorteil zwischen 41 und 44 Prozent. Bei flüssigem Erdgas verschlechtert sich die Ökobilanz, wobei sie stark von der Entfernung von Produktions- und Verbraucherland sowie von der Art der Erdgasförderung abhängt. Die sogenannten Vorkettenemissionen, also die Emissionen, die bei Produktion, Aufbereitung, Transport und Speicherung entstehen, schlagen zu Buche. Doch selbst LNG aus dem weit von Europa entfernten Australien, das unkonventionell, also per Fracking gefördert wurde, ist weniger umweltschädlich als Kohle. Das per Schiff in die EU geförderte australische LNG verursacht Emissionen von 304 Gramm CO2-Äquivalente pro Kilowattstunde. Steinkohle dagegen führt zu Gesamt-Emissionen von 389 Gramm CO2-Äquivalente pro Kilowattstunde, Braunkohle sogar zu 410 Gramm.

Zum Gelingen der Energiewende kann darüber hinaus synthetisches Gas beitragen. Es wird mit Hilfe der Power-to-Gas-Technologie mit Überschussstrom aus erneuerbaren Quellen erzeugt.

Da LNG nicht abhängig von einer Pipeline-Infrastruktur ist, kann es an vielen Stellen zur Sicherheit der Energieversorgung beitragen. Es stellt die lokale Gasversorgung von Objekten sicher, die nicht ans Erdgasnetz angeschlossen sind. So können auch in abgelegenen Regionen alte Ölheizungen durch moderne, umweltfreundlichere Gasthermen (u. a. im Zusammenspiel mit Solaranlagen) ersetzt werden. 

Beitrag zur Dekarbonisierung des Verkehrs

Erdgas und somit auch LNG werden also fürs Erste weiterhin eine Rolle bei der Stromerzeugung und beim Heizen spielen – trotz des Klimawandels und der von nahezu allen Ländern unterstützten Strategie einer Wende hin zu nicht-fossilen Energieträgern. Aber nicht nur als Brücken-Energieträger wird LNG auch künftig Verwendung finden. Als Ersatz für Diesel im Straßengüterverkehr oder zum Antrieb von Schiffen kann es dazu beitragen, die klimaschädlichen Emissionen deutlich zu reduzieren. Vor allem für Lkws, die im Langstreckenverkehr unterwegs sind, wird LNG eine wichtige Rolle spielen. Noch größer ist der Klimaschutzeffekt mit Bio-LNG, das nur über kurze Entfernungen transportiert werden muss. So kann der Verkehrssektor langfristig dekarbonisiert werden.

LNG-Terminals bereit für Wasserstoff?

Langfristig wird jedoch angestrebt, CO2-emittierende Kraftwerke sowie Verbrennungsöfen komplett durch Technologien, bei denen keine klimaschädlichen Emissionen anfallen, zu ersetzen. Voraussichtlich werden grüner Wasserstoff, Ammoniak und andere Wasserstoff-Derivate dabei eine wichtige Rolle spielen. Viele der aktuell entstehenden Terminals werden daher von vorneherein so gebaut, dass sie später auch für den Import von Wasserstoff genutzt werden können.

Dies stellt eine Herausforderung dar, wie das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung in einer Studie im Auftrag der European Climate Foundation (ECF) darstellt. Demnach sei ein Wechsel zwischen den Energieträgern nur mit erheblichen Anpassungen machbar. Unter der Voraussetzung, dass die Umrüstung bereits bei der Planung berücksichtigt wurde, können jedoch bestimmte Teile der LNG-Terminals später für Wasserstoff verwendet werden. Somit wäre die Gefahr von brachliegenden LNG-Terminals, sogenannten „stranded Assets“ vermindert oder sogar vermieden. Ebenso das Risiko des „Lock-ins“ fossiler Brennstoffe, also das Ausbremsen des Umstiegs auf klimaneutrale Energieträger, das Kritiker des Ausbaus der LNG-Infrastruktur befürchten. Vielmehr kann und wird LNG eine wichtige Rolle im Rahmen der Energiewende spielen.

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