Mit Australien verantwortet John Zagame das R. STAHL-Geschäft in einem der wichtigsten LNG-Exportmärkten. Seine Lessons Learned könnten für aktuelle Projekte weltweit äußerst hilfreich sein. Er kann konkret beziffern, was es Betreiber kostet, wenn Investitionskosten von Produkten im „Heißarbeitsbereich“ von LNG-Anlagen höher bewertet wurden als Langlebigkeit und Wartungsfreundlichkeit. Auch für die Projektplanung hat er einige Tipps. Seiner Überzeugung nach wird LNG auch über 2050 hinaus produziert werden und neben Wasserstoff noch lange Zeit zu den wesentlichen flüssigen Energieträgern gehören.
Herr Zagame, welche Bedeutung messen Sie LNG als Energieträger weltweit bei – kurzfristig und mittelfristig?
John Zagame: LNG bzw. Erdgas ist perfekt als Übergangskraftstoff positioniert, um kurz- bis mittelfristig unseren unmittelbaren Energiebedarf zu decken und gleichzeitig auf das Ziel niedrigerer oder gar keiner Emissionen in der Zukunft hinzuarbeiten. Gerade kurzfristig spielt es eine wichtige Rolle, um das Wirtschaftswachstum in den Entwicklungsländern zu unterstützen. Große Teile der Bevölkerung haben dort die Chance, sich als Mittelschicht zu etablieren. Erdgas bzw. seine verflüssigte Form LNG trägt dazu bei, Wachstum und somit den Wohlstand zu fördern. Zudem unternehmen viele Länder bereits heute Anstrengungen, den Kohle- und Ölverbrauch zu minimieren – unter anderem, indem sie auf Erdgas setzen. Erdgas findet auch bei der Herstellung von blauem Wasserstoff durch Elektrolyse von Wasser Verwendung. Sowohl LNG – also verflüssigtes Erdgas – als auch flüssiger Wasserstoff sind transportabel und lagerfähig, können also als Energiespeicher dienen.
Zahlreiche Industrienationen wollen im Zeitraum 2040 bis 2050 den Wandel der Energieversorgung so weit bewältigt haben, dass Treibhausgasneutralität besteht. Wird LNG dann noch eine Daseinsberechtigung haben?
John Zagame: LNG wird sicherlich auch über 2050 hinaus eine Rolle spielen. Einige Studien gehen davon aus, dass die Produktion von Flüssiggas in Australien 2050 über dem heutigen Stand liegen wird. Man rechnet mit einer Steigerung der Erdgas-Förderrate um 13 bis 15 %. Angesichts des weltweiten Wachstums der meisten Volkswirtschaften, wird es auch Mitte des Jahrhunderts noch eine Nachfrage nach transportierbaren Energien geben, die sauberer als Erdöl und Kohle sind. LNG wird auch weiterhin eine Rolle bei der Herstellung von Spezialchemikalien und blauem Wasserstoff spielen. Auch der Schiffsbau ist im Wandel. Es gibt starke Impulse, Schiffsantriebe von schmutzigen Schweröl auf sauberere Alternativen wie LNG umzustellen. Naheliegend ist dies natürlich für LNG-Tanker, aber mehr und mehr auch für andere Schiffe.
Wo ist Australien auf dem Weltmarkt für LNG-Energie derzeit positioniert? Und welche Entwicklung erwarten Sie für die LNG-Erzeugermärkte weltweit?
John Zagame: Australien exportiert derzeit etwa 80 Millionen Tonnen LNG pro Jahr. Derzeit gibt es fünf LNG-Produktionsstätten in Westaustralien, drei in Queensland an der Ostküste und zwei in Nordaustralien. In den letzten zehn Jahren wurden in Australien fast 200 Milliarden australische Dollar, also etwa 120 Milliarden Euro, in LNG investiert.
Australien ist also ein großer Lieferant auf dem globalen LNG-Markt. Vor kurzem hat es Katar als größter LNG-Produzent der Welt überholt. Das könnte sich bald wieder ändern, denn es gibt derzeit einige große Erdgas-Projekte, wie die Erweiterung des Nordfeldes in Katar. Dies wird die Erdgas-Exploration in Katar nahezu verdoppeln. Hinzu kommen große Projekte in den USA, etwa das Rio-Grande-Projekt in Texas. Auch in Afrika gibt es einige LNG-Projekte. Unsicher ist die Entwicklung des arktischen LNG-Projekts in Russland.
Die Energiekrise, die durch den Krieg von Russland gegen die Ukraine ausgelöst wurde, könnte einige dieser Projekte oder auch die Erweiterung von bestehenden Produktionsstätten beschleunigen. Im Übrigen sind nicht alle der weltweit bestehenden LNG-Trains komplett ausgelastet; durch höhere Produktionseffizienz bestünde vielfach noch Wachstumspotenzial. Angesichts der steigenden Nachfrage und den derzeit hohen Preisen, steigt der Anreiz, dieses zu erschließen.
In vielen Ländern wächst der Bedarf nach LNG. Derzeit entstehen neue Terminals und Wiederverdampfungsanlagen. Was können Planer und künftige Betreiber der LNG-Anlageninfrastruktur von den australischen Erfahrungen lernen?
John Zagame: Definitiv hat man in Australien viel gelernt. Eine Reihe sehr großer Projekte, die dort gleichzeitig entwickelt wurden, führte zu einer enormen Nachfrage nach kritischen Ausrüstungen und zu einer enormen Belastung der erfahrenen Arbeitskräfte. Beispielsweise waren Gaskompressoren, die für die Verflüssigungslinien benötigt werden, knapp. Das hatte einen inflationären Effekt auf die Kosten. Inzwischen sind bescheidenere, skalierbare Investitionen für globale und nationale Öl- und Gasgesellschaften attraktiver. Es wird darauf geachtet, kritische Versorgungsketten nicht zu überlasten. Vorlaufzeiten von ein bis drei Jahren führen heute dazu, dass Projekte geordneter ablaufen und die Kapazitätsgrenzen der Lieferanten und der Arbeitskräfte nicht überschritten werden. Das ist einfach eine Frage der Planung. Australien ist in erster Linie LNG-Exporteur; daher haben wir keine Erfahrung mit der Regasifizierung. Doch unsere grundsätzlichen Erfahrungen an Großprojekte sind übertragbar.
Ist es möglich zu beziffern, an wie vielen LNG-Anlagen von der Verflüssigung bis zur Regasifizierung R. STAHL beteiligt war?
John Zagame: Die Gesamtzahl weltweit ist wirklich schwer zu ermitteln. In Australien sind es mindestens zehn. Ein großer Teil unserer Produkte geht an die großen EPCs; nicht immer wissen wir, für was sie bestimmt sind. Wenn ich mit dem EPC Kontakt aufnehme, versuche ich immer zu vermitteln, dass detaillierte Anforderungen an Funktion und Design wichtig sind. Dann können wir sicherstellen, dass es bei der Integration der Systeme von R. STAHL nicht zu Problemen kommt. Dies würde auch die Ersatzteil- und Wartungsplanung unterstützen. Unserer Erfahrung nach kann der Endkunde viel Zeit und Geld sparen, wenn eine detaillierte Planung, die R. STAHL als Lieferant mit einbezieht, am Anfang steht. Die Lieferung verläuft so rationeller; Installation und Integration funktionieren reibungsloser. R. STAHL kann Erfahrungen aus über 40 Jahren einbringen; so lange sind wir als Unternehmen bereits an LNG-Projekten beteiligt.
R. STAHL hat in diesen vier Jahrzehnten sicherlich wertvolle Erfahrungen machen können. Welche Lessons Learned für den Explosionsschutz in LNG-Anlagen können Sie uns mitgeben?
John Zagame: Meiner Meinung nach ist die Sicherstellung der langfristigen Zuverlässigkeit und Wartungsfreundlichkeit das Wichtigste. Sind die Anlagen erst einmal in Betrieb, ist der Zugang erschwert. Denn angesichts der vorhandenen explosiven Gase erfordert die Heißarbeit ein hohes Maß an Risikomanagement. Dies erhöht die Kosten für Reparaturen und Wartung. Außerdem sind einige der Geräte an sehr schwer zugänglichen Stellen installiert. Bei einer Leuchte auf einer Offshore-Förderplattform kann es nach den mir vorliegenden Informationen mehrere Tausend Dollar kosten, nur um Zugang zu erhalten und sie zu reparieren oder zu warten. Es lohnt sich also, über langfristige Zuverlässigkeit und minimale Wartungsanforderungen nachzudenken und das beste Produkt für jede Anwendung auszuwählen. Doch bei manchen Planern liegt der Schwerpunkt auf den Anschaffungskosten und nicht auf den langfristigen Lebenszykluskosten.
Ein weiterer Punkt, zu dem ich raten möchte, sind vereinfachte Konstruktionen und die bestmögliche Nutzung von Lagerbeständen. Manchmal ordern die, die das Design oder die Spezifikation einer Anlage erstellen, Spezial-Ausführungen unserer Produkte, die vielleicht kleine Verbesserungen im Betrieb mit sich bringen. Das erschwert jedoch die Verfügbarkeit von Ersatzteilen und bringt häufig zusätzlichen Ausbildungsbedarf für die Instandhalter mit sich. Vor diesem Hintergrund ist es unterm Strich oft besser, sich an unseren Standard-Produktionslinien zu orientieren und das zu verwenden, was im Zielland normalerweise als Lagerartikel verfügbar ist. Nicht in dem Land, das die Konstruktion vornimmt oder in dem die EPC- oder OEM-Maschinen gebaut werden.
Dort, wo heute neue LNG-Infrastruktur entsteht, wird häufig davon gesprochen, diese so auszulegen, dass diese „Wasserstoff-ready“ ausgelegt werden sollte, um später mit geringem Aufwand auf grünen Wasserstoff umzuswitchen. Wie stehen Sie dazu?
John Zagame: Als hier in Australien 2015 neue LNG-Anlagen in Betrieb gingen, redete man noch kaum über den Aufbau der Wasserstoffbereitschaft in diesen Anlagen. Aber in vielerlei Hinsicht kann man sagen, dass Wasserstoff der flüssige Kraftstoff der Zukunft sein wird. Wasserstoff erfordert zwar an einigen Stellen eine andere Ausrüstung für den Gefahrenbereich als LNG. Die Umrüstung auf Wasserstoff wird daher Einiges an Änderungen der Infrastruktur erfordern. Heute sollte bei neuen LNG-Anlagen, wo immer möglich, die Fähigkeit zum Betrieb in einer Wasserstoffumgebung eingeplant werden – auch, wenn das zusätzliche Kosten verursacht. Es wird auch bereits ersichtlich, dass einige der Turbomaschinen irgendwann mit Wasserstoff betrieben werden. Dies wird viel dazu beitragen, die Emissionen als Teil des Produktionsprozesses von LNG zu reduzieren.
Wie unterscheidet sich das Produktangebot von R. STAHL für den LNG-Sektor von denen anderer Anbieter von explosionsgeschützter Technologie?
John Zagame: R. STAHL gilt als der führende Hersteller für explosionsgefährdete Bereiche. Aus unserer umfangreichen Erfahrung und der Führungsrolle in der Branche resultiert ein großes Vertrauen. Wir haben die Standards gesetzt, an denen sich andere orientieren, wenn es um vertrauenswürdiges Design für die Industrie geht. Wir konzentrieren uns auf den Gefahrenbereich. Dadurch können wir hierfür das breiteste Produktsortiment in der Branche bieten. Von der Beleuchtung über die Installationssteuerung bis hin zu unseren Systemen und Automatisierungsprodukten und sogar unseren Dienstleistungen. Mit unseren Dienstleistungen bieten wir unseren Kunden einen wirklich umfassenden Lebenszyklus-Support. Das ist ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zu anderen Anbietern: Wir decken alles ab – von der Planung bis zum Ende der Lebensdauer.
Gibt es Produkte, die R. STAHL speziell mit Fokus auf den Einsatz in LNG-Anlagen entwickelt hat?
John Zagame: Unsere Produkte sind im Allgemeinen sehr gut für LNG-Anwendungen geeignet. Tatsächlich sind uns aber auch einige wirklich bahnbrechende Neuentwicklungen für LNG gelungen. Bei einem der großen Projekte in Australien haben wir zahlreiche Transformatorenpaneele gebaut, die vom Design her einzigartig sind. Sie tragen dazu bei, den Umfang der teuren Verkabelung zu minimieren, die der Kunde für die gewünschte Funktionalität dieser Anlagen benötigte. Ebenfalls zu einem geringen Verkabelungsaufwand trägt unsere Remote I/O-Technik bei. Sie reduziert zudem die Installationskomplexität. Dies zahlt sich insbesondere dann aus, wenn viele OEM-Balance-Anlagenmodule aus allen Teilen der Welt in einem Gesamtsystemdesign zusammenkommen. Dann vereinfacht der Einsatz von Remote I/O und intelligenter Vernetzung die Systemintegration und damit die Kosten für die Verkabelung, die Installation und die Inbetriebnahme. Deutliche Vorteile bringen den Kunden auch die spezifischen Anpassungen unserer Schalttafeln und Verteilerschränke für LNG-Verflüssigungsanlagen. Unsere Kunden haben das Innovationspotenzial von R. STAHL erkannt. Deshalb waren und sind wir so erfolgreich bei der Vergabe vieler großer LNG-Projekte. Unsere LNG-spezifischen Produkte entsprechen voll den Anforderungen.
Welche LNG-Projekte der vergangenen zehn Jahre waren aus Ihrer Sicht herausragend?
John Zagame: Wenn man Kinder hat, ist es immer schwierig, wenn man gefragt wird, welches das Lieblingskind ist. Ich liebe alle meine Projekte (lacht). Aber ich habe eine besondere sentimentale Bindung zu einigen der älteren „Kinder“. Auch wenn ich keine Namen nennen darf: Eines der großen Projekte in Westaustralien gehört dazu. Dort entstanden LNG-Verflüssigungsanlagen mit einigen der größten Gaskompressoren, die je in der Welt gebaut wurden. Wir lieferten Stecker und Steckdosenleisten, die erwähnten Stromverteilertafeln, Beleuchtungskörper, Kontrollstationen, Klemmenkästen aus rostfreiem Stahl, Notbeleuchtungsarmaturen sowie Leuchten und Schalttafeln. Das Projekt selbst bestand aus zwei Teilen: den Hauptverflüssigungsanlagen mit den zugehörigen LNG-Zügen sowie den Lagertanks. Auch für das Lager lieferten wir Kontrollstationen, Notleuchten für Leuchtstofflampen, GFK-Erdungsüberwachungsgeräte, andere Beleuchtungskörper, Schaltsteckdosen und Klemmenkästen – alles aus rostfreiem Stahl. Es handelt sich also um eine riesige Menge an Ausrüstung, die über einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren geliefert wurde. Das Projekt verlief außerordentlich gut – und dass unter sehr schwierigen Bedingungen, unter enormer UV-Belastung und bei hohen Temperaturen. Die Menge an UV-Strahlung war so groß, dass diese gewissen Produkte beeinträchtigen kann, wenn sie nicht für den Einsatz in dieser Umgebung gebaut sind. Wir sind sehr stolz auf dieses Projekt, bei dem wir auch manche kurzfristige „Feldanfrage“ schnell bedienen konnten. Und das, obwohl der Standort äußerst abgelegen ist. Es ist ein bisschen wie auf einem anderen Planten.
Haben Sie noch ein „Lieblingskind“?
John Zagame: Eigentlich sind es gleich drei: nämlich drei Export-LNG-Verflüssigungsanlagen an der Ostküste Australiens, auf einer Insel vor der Stadt Gladstone. Obwohl sich diese drei Anlagen in separatem Besitz befinden, entstanden sie gleichzeitig. Das war mit hohen Anforderungen an die R. STAHL-Produktion und -Logistik verbunden, denn die notwendigen Ausrüstungen sollten ja für alle pünktlich geliefert werden, damit die Anlagen rechtzeitig in Betrieb genommen werden konnten. Auch diese drei Anlagen wurden 2015 fertiggestellt. R. STAHL hat dabei einmal mehr seine Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt.
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