LNG verändert die Schifffahrt nachhaltig

Entsprechend der neuen Vorschriften der IMO (International Maritime Organization) sollen die Schwefeloxidemissionen von Schiffen um 85 % gesenkt werden. Daher müssen Reedereien den Umstieg auf umweltfreundlichere Kraftstoffe auf ihren Schiffen umsetzen. Viele ziehen die Verwendung von LNG als Kraftstoff in Betracht. Daraus resultieren nahezu keine Emissionen von Schwefeloxiden und Ruß sowie deutlich reduzierte Stickoxidemissionen. Um bestehende schwerölbetriebene Schiffe nachzurüsten oder neue Schiffe mit LNG-Antrieb zu bauen, wird häufig ein Gasversorgungssystem (FGSS) verwendet. Lesen Sie mehr über die aktuellen Entwicklungen auf dem Weg hin zu einer nachhaltigen Schifffahrt.

Schwimmende Klimasünder

Derzeit werden etwa 90 % des Welthandels über den Seeweg abgewickelt. Etwa ein Drittel der weltweiten Ziel- oder Abgangshäfen für Schiffstransporte liegen in der EU. Nord- und Ostsee gehören zu den häufigsten und dichtesten Seegebieten der Welt. Die meisten Schiffe fahren in Küstennähe. Ein großer Anteil von ihnen verwenden Schweröl – das Restöl der Raffinerie. Bei der Verbrennung von Schweröl als Treibstoff wird das klimaschädliche Treibhausgas Kohlendioxid ausgestoßen.

Etwa 55 % der Kohlendioxidemissionen der Schifffahrt fallen auf Containerschiffe, Frachtschiffe und Tanker. Im Vergleich zu an Land verwendeten Kraftstoffen enthalten diese Kraftstoffe aber auch deutlich mehr Schwefel und andere Schadstoffe wie Schwermetalle. Daher belasten die von Schiffen ausgestoßenen Abgase die Luftqualität von Hafenstädten und Küstengebieten, insbesondere durch Schwefeloxide (SOx), Stickoxide (NOx), Ruß und Feinstaub. Diese giftigen Luftschadstoffe können die menschliche Gesundheit, das Klima und die Umwelt schädigen. So sind beispielsweise Ruß (Black Carbon) und Stickoxide neben Kohlendioxid die stärksten Klimatreiber.

Mit LNG für eine bessere Umweltbilanz sorgen

Nach den neuen Vorschriften der IMO 2020 müssen ab dem 1. Januar 2020 die Schwefeloxidemissionen von Seeschiffen um 85 % gesenkt werden. Dies gilt für alle Kraftstoffe, die weltweit auf hoher See verwendet werden. Ihr Schwefelgehalt darf künftig nur noch maximal 0,5 % statt bisher 3,5 % betragen. Daher ist die IMO 2020 ein wichtiger Schritt in Richtung einer besseren Umweltbilanz der Industrie.

Die IMO (International Maritime Organization) legt die Umweltschutzanforderungen von Schiffen in der „International Convention for the Prevention of Pollution from Ships“ (MARPOL-Konvention) fest. Ihren Sitz hat die Internationale Seeschifffahrts-Organisation, die ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen (UN) ist, in London. Ihr gehören über 174 Staaten als Mitglieder an.

Künftig stehen verschiedene umweltfreundlichere Fahrmöglichkeiten zur Verfügung. Entweder weiterhin Schwerkraftstoff und eine spezielle Abgasreinigungsanlage (Scrubber), oder der Umstieg auf alternative Kraftstoffe wie Flüssiggas (LNG), Very Low Sulfur Fuel (VLSF) oder Marine Diesel (MDO). Diese Kraftstoffe sind günstiger und technisch einfacher einsetzbar. Daher müssen Reedereien den Umstieg auf umweltfreundlichere Kraftstoffe auf ihren Schiffen umsetzen.

Viele ziehen die Verwendung von LNG als Kraftstoff in Betracht. Daraus resultieren nahezu keine Emissionen von Schwefeloxiden und Ruß sowie deutlich reduzierte Stickoxidemissionen. Wenn die Produktion fossiler Brennstoffe und der versehentliche Austritt von Methan in der Lieferkette entsprechend reguliert werden, kann auch der Einsatz von Flüssiggas die Treibhausgasbilanz leicht verbessern.

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Wachsende Flotte an LNG-betriebenen Schiffen

Im Vergleich mit der globalen Handelsflotte ist der Anteil von Schiffen mit LNG als Treibstoff noch klein. 2018 waren es weltweit 125 LNG-betriebene Hochseeschiffe und 230 LNG-Carrier (LNGC). Die große Herausforderung bei der Verwendung von LNG als Treibstoff für Schiffe ist die Energiedichte bezogen auf das Volumen im Vergleich zu herkömmlichen Schweröl Kraftstoffen. Deswegen nehmen die notwendigen Tanks für das LNG einen größeren Platz auf den Schiffen ein. Dies führt zu einer deutlichen Reduzierung des nutzbaren Ladevolumens der Schiffe. Pionier im weltweiten Einsatz von LNG-betriebenen Schiffen ist Norwegen. Dort sind 61 Schiffe in Betrieb – das ist die Hälfte der weltweiten Flotte.

Ein weiter wachsender Markt für LNG-betriebene Schiffe ist seit 2018 die Kreuzfahrtbranche. Bis 2024 werden rund 23 der 270 Kreuzfahrtschiffe weltweit mit LNG unterwegs sein. Der Grund für den großen Bedarf ist die Notwendigkeit, dass die Abgase der Schiffe die heutigen Abgasstandards einzuhalten. Die Zielregionen der Kreuzfahrschiffe erhöhen auch den Druck, die Emissionen zu reduzieren und somit die Gesundheit der Bewohner zu schützen. Außerdem legen viele Urlauber heutzutage Wert darauf, dass auch während ihres Urlaubs der Umweltschutz berücksichtigt wird. Die Redereien gehen auf den Bedarf der Kunden ein und bestellen Antriebsysteme mit LNG für neue Kreuzfahrtschiffe. Beispiel dafür ist die AIDAnova von Carnival, die Ende 2018 ihren Betrieb aufgenommen hat und seitdem mit LNG betrieben wird. Das zweite LNG-betriebene Kreuzfahrtschiff von Carnival, die Costa Smeralda, wurde 2019 in Dienst gestellt.

Zählt man alle Arten von LNG-betriebenen Schiffen zusammen, so kommt man bis 2025 auf über 1.300 Schiffen. Es gibt auch einige Beispiele, wie Redereien Initiativen auflegen, um ihre Flotte auf LNG umzustellen:

  • BHP Group hat die weltweit erste Massengutfrachter-Ausschreibung für 12 LNG-betriebene Schiffe für den Transport von 27 Millionen Tonnen Eisenerz von Australien nach Nordasien ausgeschrieben. Diese werden in der Lage sein, das Äquivalent von etwa 10 % des Eisenerzabsatzes von BHP zu transportieren
  • Die Disney Cruise Line hat Pläne zum Bau von drei weiteren Kreuzfahrtschiffen mit LNG-Antrieb. Drei LNG-betriebene Schiffe sind bereits auf der Meyer Werft im Bau und sollen in den Jahren 2021, 2022 und 2023 fertig gestellt werden. Das erste dieser Schiffe, die Disney Wish, soll Ende 2021 ausgeliefert werden und voraussichtlich ab Januar 2022 in See stechen.

FGSS – neue Technologie auf Schiffen

Ein Gasversorgungssystem (FGSS) wird verwendet, um bestehende schwerölbetriebene Schiffe nachzurüsten oder neue Schiffe mit LNG-Antrieb zu bauen. Das Gasversorgungssystem dient der Kraftstoffversorgung des Motors im LNG-Antrieb. Dieses System musste für die Einführung von LNG als Kraftstoff neu entwickelt werden und stellt das Engineering vor eine große Herausforderung. Zu den FGSS-Hauptkomponenten zählen:

  • LNG-Bunker-Skid (zur Betankung)
  • Tieftemperaturtanks zur Lagerung des LNG
  • LNG-Tankanschlussraum
  • LNG-Konditionierungsanlage
  • LNG-Verdampfer
  • LNG-Gas-Heizung
  • LNG-Druckaufbau-Wärmetauscher
  • LNG-Pumpe
  • Gasventil-Einheiten (GVU)
  • Doppelwandige Rohrleitungen
  • Alarmüberwachungs- und Prozessleitsystem

Da das FGSS aufgrund der hohen Flüchtigkeit und Zündfähigkeit des durchgeleiteten Gases einen explosionsgefährdeten Bereich darstellt, müssen alle elektrischen Komponenten explosionsgeschützt ausgeführt werden. Dabei kommt ein PLS (Prozessleitsystem) zum Einsatz, dass alle Bereiche des Antriebssystems überwacht und steuert. Die Messwerte aus den einzelnen FGSS-Komponenten werden über ein Remote I/O-System an das PLS übermittelt. Dank der langjährigen Erfahrung auf LNG-Tankern lässt sich das Remote I/O-System von R. STAHL auch einfach für das FGSS einsetzen.

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R. STAHL realisiert seit mehr als 30 Jahren Remote I/O-Installationen auf Schiffen und Offshore-Plattformen

Die Anforderungen an das System sind nicht unerheblich. Neben den Zulassungen für den Ex Bereich und den Einsatz auf Schiffen muss das System extremen Temperaturbereichen sowie den üblichen Vibrationen auf Schiffen standhalten. Bei der Installation in speziellen Gehäusen aus Edelstahl muss beispielsweise auch darauf geachtet werden, dass die Schaltschranktüren nicht zu groß ausfallen, damit diese nicht zu tief in die schmalen Gänge auf Schiffen reichen. Viele Details gibt es zu beachten. Das gilt nicht nur für das Remote I/O-System, sondern für alle elektrischen Komponenten: von Leuchten, Klemmkästen und HMI-Systemen zur Anzeige von Alarmen bis hin zu Sensoren, Aktoren und Netzwerkkomponenten.

Es ist spannend ein Teil der Lösung auf dem Weg hin zu nachhaltigen Kraftstoffen in der Schifffahrt zu sein.

Ingo Emde, Business Development Manager

Doch der Aufwand lohnt sich – denn dadurch verändert sich die Schifffahrt nachhaltig. Immerhin ist das Ziel, Emissionen zu verringern und den Kohlendioxidausstoß herunter zu fahren. So kann auch in der Zukunft der Warenstrom auf der Welt ungehindert fließen. LNG ist eine Brückentechnologie auf dem Weg hin zur Kohlendioxidneutralität. Und weitere grüne Kraftstoffe stehen schon in den Startlöchern: beispielsweise Wasserstoff oder Ammoniak. Die jetzt für LNG entwickelten Systeme können dann auch für die zukünftigen Kraftstoffe mit Anpassungen verwendet werden.

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