Bevor Flüssiggas (LNG) in Prozess- oder Kraftwerksanlagen eingesetzt oder in die Gaspipeline eingespeist werden kann, muss es wieder „zur alten Form zurückfinden“. Gasförmig wird es, indem es sich erwärmt. Laissez-faire wäre dabei jedoch nicht angebracht. Sowohl verfahrens- als auch sicherheitstechnisch ist Einiges zu beachten.
Was passiert am LNG-Terminal, in dem das verflüssigte Erdgas nach seiner Reise per LNG-Tanker gelandet ist? Oder am LNG-Kryotank, der zur Energieversorgung einer Industrieanlage vorgehalten wird? Es ist wohl offensichtlich: Bevor man das verflüssigte, tiefkalte Erdgas (LNG) nutzen kann - in Brennstoffzellen oder Verbrennungsmaschinen zum Beispiel – oder es ins Erdgasnetz eingespeist werden kann, muss es zunächst wieder in gasförmiges Erdgas umgewandelt werden. Dazu wird im einfachsten Fall ein atmosphärischer Verdampfer eingesetzt, durch den das -162 °C kalte Liquefied Natural Gas geleitet wird. Die Regasifizierung entspricht also der Verdampfung, wobei sehr viel weniger Energie aufgewendet werden muss als zur Verflüssigung des Erdgases. Auch viele Prozesse der Aufbereitung, die bei Gewinnung von Erdgas nötig sind, wurden vor der Verflüssigung bereits erledigt. Daher ist das frisch verdampfte Erdgas aus LNG besonders rein, das heißt es besteht zu rund 98 Prozent aus Methan.
Müsste man dazu nicht einfach die Kühlung, die benötigt wird, um LNG auf -162°C und damit flüssig zu halten, abschalten und ein Ventil Richtung Gaspipeline aufdrehen? Ganz so simpel ist es nicht, denn feuchte Luft würde schnell vereisen, Rohrleitungen wären verstopft. Abhilfe schaffen besondere Verfahren, die weiter unten aufgeführt sind. Auch muss das entstehende Gas mit definiertem Druck in Leitungen oder Anlagen eingespeist werden.
Sicherheit immer im Fokus
Vor allem aber ist prozesstechnisch Einiges zu beachten, weil Erdgas durch seine Explosivität Unfallrisiken birgt. Daher existieren hohe Sicherheitsstandards. Um Gasexplosionen zu vermeiden, sind bei jedem Schritte zur Regasifizierung von LNG und Verdichtung des gasförmigen Methans sicherheitstechnische Maßnahmen zu ergreifen. Denn sowohl Erdgas als auch LNG gelten als hochentzündlich. Sie sind (wie reines Methan) nach ATEX und IECEx in die Explosionsgruppe IIA (Maß für die Zünddurchschlagfähigkeit) und die Temperaturklasse 1 eingestuft. Mit etwa 575 bis 670 °C ist die Zündtemperatur relativ hoch. Ein explosives Gemisch aus Luft und Erdgas liegt bei einem Methangehalt von 4,4 bis 16,5 Vol.-Prozent vor. Entsprechende Ex-Schutz-Maßnahmen sind daher nicht nur direkt an der Regasifizierungsanlage, sondern im gesamten Bereich von LNG-Terminals oder -Tanks zu ergreifen. Welche, werden wir im Folgenden beispielhaft vorstellen.
Der Prozess der Regasifizierung
Um LNG wieder zu gasförmigem Erdgas zu machen, muss man es also verdampfen. Dies geschieht durch den technischen Prozess der Regasifizierung in sogenannten Durchfluss-Verdampfungsanlagen. Die benötigte Verdampfungswärme wird darin dem LNG über einen Wärmeübertrager (Wärmetauscher) zugeführt. Da der Siedepunkt des LNGs sehr tief liegt, benötigt man keine hohen Temperaturen. In der Regel sind die in der Umgebung herrschenden Temperaturen ausreichend. Das heißt, die Regasifizierung funktioniert bereits mit sogenannten atmosphärischen Verdampfern durch die Temperatur der Umwelt. Das LNG wird darin auf Temperaturen rund 20 °C unter der Umgebungstemperatur erwärmt. Da die Rohre der Verdampferanlage dabei vereisen, setzt man in der Regel auf redundante Systeme: Während ein Verdampfer arbeitet, kann die Oberfläche eines anderen, gerade nicht genutzten Verdampfers wieder auftauen. Die Leistung dieser einfache Verdampfer ist witterungsabhängig.
Regasifizierung im LNG-Terminal: An LNG-Terminals kann auch Seewasser als Wärmeträger genutzt werden. Das Gas wird anschließend mit Hilfe eines Kompressors verdichtet, bevor es ins Gasfernleitungsnetz eingespeist wird.
Regasifizierung auf LNG-Terminalschiffen: Auf schwimmenden Anlagen für die Zwischenlagerung und Verdampfung von LNG (FSRUs, Floating Storage and Regasification Units) wird zur Regasifizierung ebenfalls meist Seewasser genutzt. Das verdampfte Gas wird über eine kurze Verbindungsleitung zum Hafen gepumpt und ins Gasnetz gleitet. FSRUs, die permanent in Küstennähe verankert sind, gelten als kostengünstiger als LNG-Terminals an Land (Onshore-Terminals) und lassen sich in der Regel schneller planen. Ein weiterer Vorteil: Wenn nötig können sie an andere Standorte verlegt werden.
Zum Teil werden an Terminals und auf FSRUs auch Tauchflammenverdampfer (SCVs – Submerged Combustion Vaporizers) verwendet. Sie vermeiden Eisbildung in den Wärmetauscherrohren. Auch hierbei ist das Wärmetauschermedium, das mit den LNG-Rohren in Kontakt kommt, Wasser aus einem Wasserbad. Es wird mithilfe eines Brenner beheizt, indem seine Verbrennungsgase in das Wasserbad einspeist werden. In diesem Wasserbad befinden sich die Rohrbündel des Wärmetauschers, durchströmt von LNG. Es entsteht Schaum, der die Rohrbündel umströmt. So verdampft das LNG innerhalb der Rohrbündel. Die Betriebstemperatur des Wasserbads liegt zwischen 13 °C und 18 °C. Ein SCV verbraucht typischerweise 1,3 Prozent der Energie des von ihm verdampften Erdgases.
Small-Scale-LNG-Anlagen: Für die dezentrale Versorgung von Industrieanlagen, einer Notstromversorgung oder für dezentrale Verbrennungsanlagen, beispielsweise BHKW, können kleinere Tanklager oder Einzeltanks mit LNG vorgehalten werden. Da Industrieanlagen und BHKW gasförmiges Erdgas benötigen, wird LNG vor der Einspeisung in einem Luftverdampfer erwärmt. Die Anlagentechnik für diese sogenannten Satelliten-Stationen hat sich seit Jahren bewährt. Die Verdampfungswärme stammt aus der Umgebung. Es besteht die Möglichkeit, die Regasifizierungskälte an einen Solekreislauf zu übertragen und die Kälte beispielsweise zur Klimatisierung von Wohngebäuden oder zur Kühlung von Industrieanlagen zu nutzen.
LNG als Kraftstoff für Schiffe und den Schwerlastverkehr: Dazu ist eine Regasifizierung nicht notwendig. An „Small-Scale-Terminals“ wird stattdessen LNG direkt zur Betankung von Schiffen genutzt oder per Tankwagen in flüssigem Zustand zur Tankstelle transportiert. An der Tankstelle wird das LNG unter 5 – 8 bar Fülldruck über einen Dispenser (Zapfsäule) in das Fahrzeug gepumpt.
Parallel kann eine zweite Linie zur Betankung von CNG-Fahrzeugen (CNG – Compressed Natural Gas) genutzt werden. Dazu erhöht eine Pumpe den Druck auf 250 bis 300 bar und fördert das LNG zu einem Hochdruckverdampfer, in dem die Regasifizierung stattfindet. Das Erdgas wird über eine CNG-Zapfsäule in den Tank des Fahrzeugs geleitet.
Für die Verdampfung und Kompression müssen lediglich ein bis zwei Prozent des Energiegehalts des LNGs aufgewandt werden, das jeweils wiederverdampft wird. Besonders effizient verläuft die Verdampfung, wenn die Kälte für Kühlprozesse, beispielsweise für große Lagerhallen im Hafen genutzt werden kann.
Übergabe des Gases an Gasnetze und Verbraucher
Nach der Regasifizierung des LNG wird das entstandene Erdgas entweder weitertransportiert oder einem Verbraucher, z. B. einem Gaskraftwerk zugeführt. Zur Verdichtung in ein Fernleitungsnetz werden Send-Out-Kompressoren eingesetzt, die in einem Druckbereich von 40 bis 100 bar arbeiten. Soll das Gas dagegen in ein stärker vermaschtes Verteilnetz, in dem geringere Flussraten vorliegen, eingespeist werden, nutzt man Ausspeisekompressoren mit einem Enddruck von 20 bis 50 bar.
Regasifzierung am Gaskraftwerk: Häufig befinden sich in der Nähe von LNG-Terminals oder FSRUs Gaskraftwerke zur Stromerzeugung. Wärmetauscher zur Regasifizierung sowie ein Ausspeisekompressor sind zu ihrer Versorgung ebenfalls nötig. Da sie nur sehr geringe Gasdruckschwankungen tolerieren, damit ihre Gasturbinen die maximal mögliche Effizienz erreichen, setzt man häufig zusätzlich Brenngas-Verstärkerkompressoren (Booster) ein, die den Speisedruck zur Gasturbine auf ca. 50 bar stabilisiert.
Explosionsschutz rundum gewährleistet
Da sich in einem LNG-Terminal, an Bord eines FSPUs oder an einer Satelliten-LNG-Station die explosionsgefährdeten Zonen über weite Anlagenbereiche erstrecken, kommen Ex-Schutz-Lösungen von R. STAHL nicht nur im eigentlichen Verarbeitungsprozess, sondern in der gesamten Infrastruktur zur Anwendung. Den Zündgefahren bei der Regasifizierung und Einspeisung ins Erdgasnetz begegnet man mit konstruktivem und elektrischem Explosionsschutz. Das heißt zum einen: Ein explosionsfähiges Gemisch aus Erdgas und Luft sollte im Idealfall niemals entstehen. Und wenn doch, darf es weder durch Funken noch durch heiße Oberflächen entzündet werden. Dafür sorgen geeignete Ex-Schutz-Lösungen unter Verwendung von Geräten, Schutzsystemen und Komponenten, die zum Einsatz bei Gasen der Explosionsgruppe IIA und Temperaturklasse 1 zugelassen sind. Je nach Einsatzbereich müssen sie für Zone 0, Zone1 oder Zone 2 klassifiziert sein und entsprechend zertifiziert sein. Zur Steuerung von Pumpen und Kompressoren dienen beispielsweise Remote-I/O-Stationen, die Signale eigensicher an ein Leitsystem übertragen. Trennstufen, Stecker, Steckdosen, aber auch Leuchten, Alarmgeber und Kamerasysteme sind in Ex-geschützter Ausführung einzusetzen. Pumpeneinheiten, die das Meerwasser zum Wärmetauscher befördern, werden von R. STAHL mit Alarmsignalgebern, Klemmenkästen, Sicherheitsschaltern und Lasttrennschaltern mit AC3-Schaltvermögen bestückt. Sicherheitsschalter trennen bei Reinigung und Reparaturen die elektrische Energiezufuhr sicher von Maschinen und Anlagenteilen.
Auch für die Kompressionsanlagen, die das rückverdampfte Erdgas vor der Netzeinspeisung verdichten, sind Explosionsschutzmaßnahmen anzuwenden. Beispielsweise können geeignete Motoransteuerungen und Energieverteilungen, die für die Ansteuerung der Kompressoren benötigt werden, durch Verwendung der patentierten EXpressure-Gehäusetechnologie von R. STAHL deutlich leichter und kompakter als mit herkömmlichen Ex d-Gehäusen realisiert werden.
Neben dem Ex-Schutz ist auch auf eine geeignete Materialauswahl und Konstruktion zu achten. Dazu tragen seewasserresistente Gehäusewerkstoffe, hochwertige Dichtungsmaterialien, ein vibrationsfestes Design und Unempfindlichkeit gegenüber elektromagnetische Einflüsse bei.
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