Sicherheitskonzepte im Umgang mit Wasserstoff

Regelmäßig stoße ich auf eine gewisse Skepsis, ob es denn notwendig ist, neue Wasserstofftechnologien unter Sicherheitsaspekten besonders sorgfältig zu betrachten. Schließlich ist Wasserstoff ein Brennstoff wie viele andere und die industriellen Prozesse mit Wasserstoff werden seit Jahrzehnten sicher beherrscht. Beide Aussagen sind nur teilweise richtig: Die in der European Hydrogen Incident and Accident Database (HIAD) 2.0 aufbereitete Metastudie, die im International Journal of Hydrogen Energy 47 (2022) veröffentlicht wurde, wertet mindestens 700 Unfallereignisse aus, die sich in den letzten Jahrzehnten weltweit bei der Verwendung von Wasserstoff ereignet haben.

Die mit Abstand führende Ereignisart sind Explosionen, gefolgt von Bränden. Als Hauptursachen wurden Mängel im Sicherheitsmanagement, fehlerhafte Systemauslegung und individuelles menschliches Versagen ermittelt. Hinzu kommt, dass sich Wasserstoff in einigen Eigenschaften deutlich von den Kohlenwasserstoffen unterscheidet – leider in negativer Hinsicht. Dies beweisen zahlreiche Videos von Explosionsversuchen in Rohrleitungen.

Stöchiometrische Gemische aus Propan, Ethylen und Wasserstoff, also IIA-, IIB- und IIC-Gase, werden nacheinander separat gezündet und die nur mit Folie abgedichteten Rohrenden gefilmt. Selbst für mich, mit 32 Jahren Erfahrung im Explosionsschutz, ist es beeindruckend zu sehen, mit welcher Wucht und Intensität die Flammenfront des Wasserstoff-Luft-Gemisches das Rohrende passierte. Dagegen wirken die Explosionen der beiden anderen Gase wie ein laues Lüftchen. Der Grund dafür ist, dass die laminare Verbrennungsrate von Wasserstoff etwa achtmal so hoch ist wie die von Kohlenwasserstoffen.

Auch wenn der folgende Vergleich wissenschaftlich nicht ganz korrekt ist, komme ich nicht umhin, ihn anzustellen: Es ist ein Unterschied, ob man mit einem Fahrrad oder einem schnellen Motorrad gegen eine Wand fährt! Darüber hinaus gibt es weitere positive und negative Eigenschaften, die Wasserstoff von anderen Kraftstoffen unterscheiden und die unter Sicherheitsaspekten besondere Aufmerksamkeit erfordern. Kurzes Zwischenfazit: Wasserstoff ist im Allgemeinen nicht mehr oder weniger gefährlich als andere Brennstoffe und kann mit den richtigen technischen und organisatorischen Maßnahmen sicher beherrscht werden. Er ist jedoch in vielerlei Hinsicht anders und muss daher mit besonderem Respekt behandelt werden. Vor allem, wenn er die isolierten Industrieanlagen verlässt und zahlreiche Anwendungen in der Öffentlichkeit findet!

Wir, bei IECEx, sind uns dieser Tatsache seit langem bewusst und haben deshalb das Thema der neuen Wasserstoffanwendungen schon vor drei Jahren zu einem Schwerpunkt unserer Arbeit gemacht. Insgesamt wurden inzwischen 17 Gerätezertifikate für Wasserstoffzapfsäulen und 44 Personenzertifikate nach Unit 11 (Grundkenntnisse über die Sicherheit von Wasserstoffsystemen) ausgestellt. Wir stehen kurz vor einem weiteren Höhepunkt unserer Wasserstoffaktivitäten: In Zusammenarbeit mit der Internationalen Organisation für Normung (ISO), der UNECE, dem Wasserstoffrat und der Internationalen Agentur für erneuerbare Energien (IRENA) werden IEC und IECEx am 29. Mai 2024 in Singapur die internationale IECEx-Wasserstoffkonferenz 2024 veranstalten.

Diese ganztägige Veranstaltung bietet der Industrie in der asiatischen Region eine einzigartige Gelegenheit, sich über die neuesten Entwicklungen im Bereich der Wasserstofftechnologien zu informieren, sich in der Fachwelt zu vernetzen und wertvolle Kontakte zu knüpfen. Die Teilnehmer erhalten Informationen darüber, wie sie von den Dienstleistungen der Organisationspartner profitieren und wie sie sich einbringen können. Führende Experten aus der ganzen Welt, wie der CEO des Hydrogen Council, der Vorsitzende des ISO TC 197 und der IECEx- und IECQ-Exekutivsekretär, werden ihre Erkenntnisse und ihr Fachwissen über die internationale Normung, die Herstellung, Inspektion, Reparatur und Überholung von Geräten im Zusammenhang mit der Produktion, dem Transport und der Verwendung von Wasserstoff weitergeben. Die Konferenz wird sich auch mit der Bewertung und Zertifizierung der Kompetenz des Personals befassen und Fragen zu regionalen Anforderungen und Vorschriften behandeln. Wie bei solchen internationalen Expertentreffen üblich, ist neben dem offiziellen Konferenzprogramm die Vernetzung zwischen den Teilnehmern am Rande der Veranstaltung sehr wichtig.

Im Anschluss an die Konferenz werden wir die Gelegenheit nutzen, die Arbeit unserer IECEx Working Group 19 fortzusetzen. Im Mittelpunkt stehen dabei die Intensivierung der Zusammenarbeit mit den Normungsorganisationen ISO und IEC sowie der Ausbau unserer Aktivitäten im Bereich Equipment und Personal Competence Scheme. Ich freue mich besonders, dass der Konferenzort Singapur die Teilnahme zahlreicher Experten aus asiatischen Ländern ermöglicht. Diese Experten sind sehr willkommen, denn leider wird aus Sicht der westlichen Welt oft übersehen, dass Länder wie Südkorea, Japan und China auch im Bereich der Wasserstofftechnologien eine führende Position einnehmen.

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