Bei der Automatisierung von Anlagen trifft der Anspruch einer auf Jahrzehnte angelegten Investition auf immer kürzere IT-Lebenszyklen. Richtig teuer wird es, wenn das Update veralteter Hard- und Software zum Produktionsausfall führt. Mit den neuen Bediengeräten der ORCA-Reihe wurde das Problem besonders clever gelöst.
Der Vorwurf wiegt schwer: Mit dem Update auf Windows 11 müssen Millionen an bislang tadellos funktionierenden Rechnern verschrottet werden – geplante Obszoleszenz um das Hardware-Geschäft anzukurbeln? „Obszoleszenz“ nennt man den Vorgang, wenn Produkte veralten und unbrauchbar werden. Und „Software-basierte Obszoleszenz“ ist das, was wir bei der Nutzung von IT-Geräten erfahren, wenn neue Softwareversionen nicht mehr auf alter Hardware laufen. Häufig stellen wir Anwender dann die Frage, ob Obsoleszenz vom Hersteller mutwillig geplant wurde, oder tatsächlich technische Gründe vorliegen.
Ein prominentes Beispiel für geplante Obszoleszenz, bei dem Wiederbeschaffungszyklen verkürzt wurden, ist das Glühlampen-Kartell: Vor mehr als einem Jahrhundert taten sich Hersteller weltweit zusammen, um die Lebensdauer von Glühlampen auf 1.000 Stunden zu halbieren und so den Verkauf neuer Glühlampen anzukurbeln. Die Machenschaften wurden schließlich in den 1950er Jahren aufgedeckt. Auch Hersteller von Tintenstrahl-Druckern, Druckerpatronen oder Smartphones stehen immer wieder im Verdacht, ihre Geräte von vornherein mit limitierter Nutzungsdauer zu entwickeln.
Doch es gibt noch weitere Erscheinungsformen für Obszoleszenz: Unter „psychologische Obszoleszenz“ fallen beispielsweise Marketing-getriebene Anreize für den Ersatz funktionierender Produkte in der Mode oder der Automobilindustrie. Der Fall Windows 11 lässt sich allerdings relativ klar der Kategorie „technische Obszoleszenz“ zuschreiben: Steigende Sicherheitsanforderungen wie die Unterstützung von Secure Boot, Trusted Platform Module TPM 2.0 oder die Voraussetzung eines 64-Bit-Prozessors sind Teil der technologischen Weiterentwicklung. Und diese ist es in der Regel, wenn auch in Industrieanlagen Komponenten der Automatisierungstechnik ersetzt werden müssen – sei es, um die Leistungsfähigkeit zu erhöhen, neue Sicherheitsanforderungen zu erfüllen, oder aber, weil keine Ersatzteile mehr verfügbar sind.
Im Umfeld der Büro-IT haben wir uns längst daran gewöhnt, Laptops und Desktop-PCs lediglich wenige Jahre zu nutzen. Eine Praxis, die inzwischen immer stärker im Licht der Nachhaltigkeit kritisch gesehen wird. Denn Schätzungen (Global E-Waste Monitor) zufolge wird der Berg an Elektroschrott, den wir auf der Welt jedes Jahr entsorgen, von 53,6 Mio. Tonnen in 2020 bis auf 74 Mio. Tonnen in 2030 anwachsen.
Im Industrie-Umfeld sind deutlich längere Nutzungszeiten für IT-Produkte die Regel. So werden Industrie-PCs so konstruiert, dass sie Lebenszyklen von fünf bis zwanzig Jahren erreichen. Bei Geräten zur Bedienung und Beobachtung von Anlagen (HMI) liegt die Einsatzdauer in der Regel zwischen 5 und 10 Jahren.
Obwohl die Anschaffungskosten für PC und HMI für den Einsatz in Industrieanlagen deutlich höher sind, als im Büro-Umfeld, spielt die Investition über die Nutzungsdauer in der Regel eine untergeordnete Rolle. Viel stärker wiegen dagegen beispielsweise Energie- und Wartungskosten im Betrieb. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Geräte in den anspruchsvollen Umgebungen der (Petro-)Chemie und Pharmaindustrie eingesetzt werden. Der Austausch eines HMI im explosionsgefährdeten Bereich oder in einem Reinraum bedeutet für den Betreiber nicht nur Aufwand, sondern ist in der Regel auch mit teuren Stillstandszeiten verbunden.
Modulares Konzept sorgt für Nachhaltigkeit
Mit dem modularen Aufbau der neuesten HMI-Generation ORCA geht R. STAHL neue Wege: Bei den Geräten können einzelne Komponenten wie Elektronikbox und Displaybox getauscht werden. Das zahlt sich vor allem auch im Hinblick auf die Nachhaltigkeit und den Investitionsschutz aus. Denn im Gegensatz zu klassischen HMI-Geräten, die zur Reparatur komplett zurück ins Werk des Herstellers müssen, können die Module der ORCA-Geräte vom Personal des Betreibers selbst ausgetauscht werden. Im Ex-Bereich lassen sich diese Arbeiten von unterwiesenen Personen erledigen. Maschinenhersteller können den modularen Aufbau nutzen, um ihren Kunden bei notwendigen Hardware-Updates oder im Reparaturfall eine komplett vorkonfigurierte Rechnereinheit zu liefern. Das spart Zeit und Geld.
Um den Anforderungen des Explosionsschutzes Rechnung zu tragen, werden HMI-Geräte in der Regel vergossen und sind damit nicht reparierbar. Bei den ORCA-Geräten wird anstelle der klassischen Vergussmasse eine Füllung aus Glasperlen verwendet, die für Reparaturzwecke einfach entfernt werden kann. Dadurch können auch einzelne Bauteile vom Hersteller repariert bzw. ausgetauscht werden. So lässt sich beispielsweise auch die neue Batterieverordnung (BATT2) der EU erfüllen, wonach Gerätebatterien künftig einfach austauschbar sein müssen. Zudem können die Komponenten der Geräte dadurch am Ende des Lebenszyklus teilespezifisch entsorgt werden.
Thin Client-Konzept führt zu langlebigen und sparsamen HMI
Ein weiterer Aspekt im Hinblick auf Investitionssicherheit und Nachhaltigkeit ist das Thin Client-Konzept der ORCA-HMI: Thin Clients kommen mit weniger Energie aus als herkömmliche PCs, da sie die meisten Rechenoperationen und Speichervorgänge an einen zentralen Server auslagern. Zudem sind Thin Clients aufgrund der geringeren Rechenleistung weniger thermisch belastet, was zu einer längeren Lebensdauer führt. Weil Logikprozesse und Datensicherung auf dem zentralen Server erfolgen, treten an der Bedienstation vor Ort viele IT-Risiken gar nicht auf. IT-Spezialisten des Betreibers können sich auf Sicherheitsvorkehrungen für den Server konzentrieren.
R. STAHL nutzt für die Thin Clients die Firmware „Remote HMI“. Diese wurde als geschlossenes System konzipiert und basiert auf Microsoft Windows 10 Enterprise 2019 LTSC. Das Kürzel steht für „Long Term Servicing Channel“ und ist ein Updatekanal, der Unternehmen einen 10 Jahre währenden Support mit Sicherheits-Updates garantiert. Mit der Update-Fähigkeit wird für mindestens 15 Jahre Investitionssicherheit garantiert. In dieser Zeit spart das modulare Konzept gegenüber klassischen Bediensystemen schätzungsweise 50 % der Investitionskosten.
Entscheidend für die langfristige Nutzung ist jedoch der modulare Aufbau: Thin Client („E-Box“) und Displaybox („D-Box“) können mit wenigen Handgriffen kabellos voneinander gelöst werden (Easy Connect), wodurch ein einfacher Austausch möglich wird – beispielsweise, wenn ein System mit höherer Rechenleistung notwendig ist. Und weil diese Arbeiten vom Personal des Betreibers selbst erledigt werden können, lassen sich Stillstandszeiten minimieren. Und so wird klar, dass niedrige Lebenszykluskosten, Nachhaltigkeit und Investitionssicherheit kein Widerspruch sein müssen.
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