Das Jahr 2024 war erneut durch globale Krisen und Konflikte sowie eine schwache Konjunktur geprägt. Wie konnte sich R. STAHL in diesem schwierigen Umfeld behaupten?
Dr. Mathias Hallmann: Insbesondere im ersten Halbjahr 2024 konnten wir noch gegen den Trend erfreuliche Auftragseingänge verzeichnen, Umsätze erzielen sowie Erträge erwirtschaften. Das zweite Halbjahr 2024 gestaltete sich dann leider deutlich unfreundlicher und war von globaler Verunsicherung und On-hold-Situationen geprägt – zum Beispiel vor den US-Wahlen.
Hinzu kam die wirtschaftliche Rezession, von der fast alle unserer Kundenindustrien bis heute betroffen sind. Und die europäische Chemieindustrie leidet extrem unter den Energiekosten und der Regulatorik, die den Bau neuer Anlagen fast unmöglich macht. Diese Branchenschwäche konnten wir aber unter anderem durch Zugewinne im Pharma-Sektor und bei LNG ganz gut kompensieren.
Wie ging es dann im ersten Quartal 2025 weiter?
Dr. Mathias Hallmann: Erfreulicherweise haben wir wieder einige positive Signale in Form von Großaufträgen erhalten. Auf den Umsatz wird sich das aber erst im zweiten Halbjahr auswirken. Was das Brot-und-Butter-Geschäft mit den schnelldrehenden Produkten angeht, lässt sich noch keine Aussage treffen. Aktuell haben wir es mit einer globalen Verunsicherung in vielen unserer Zielindustrien zu tun: Geld ist zwar da, aber es fehlt an Entscheidungen für Investitionen. Wir müssen schlicht abwarten, wie sich die Märkte entwickeln – ob eine Erholung eintritt oder ob sich die Krisen verfestigen und chronisch werden. Um weiterhin stabil durch das unruhige Fahrwasser zu kommen, haben wir unsere Kapazitäten im ersten Halbjahr vorübergehend angepasst.
Tobias Popp: Bei diesen Betrachtungen darf man nie außer Acht lassen, dass wir Spätzykliker sind. Das heißt, wir laufen der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung typischerweise etwa sechs Monate hinterher. So kann es vom Auftragseingang bis zum Umsatz schon einmal bis zu einem halben Jahr oder auch länger dauern. Marktentwicklungen, egal ob positiv oder negativ, wirken sich auf uns also immer mit einer zeitlichen Verzögerung aus. Insgesamt konnten wir aber durch unsere nachhaltig angelegte Vertriebs- und Portfoliostrategie konsequent Marktanteile hinzugewinnen. Dazu muss man wissen, dass Explosionsschutz bei der Planung einer neuen Anlage ein verhältnismäßig kleiner Kostenfaktor ist. Aufgrund seiner hohen Komplexität ist es für den Betreiber zwar ein sehr wichtiges, aber eher lästiges Thema. Deshalb sind unsere Kunden froh, wenn wir sie als Komplettanbieter von der Beratung über die Lieferung von Produkten und Systemlösungen bis hin zu Services entlasten können.
Welche Chancen und Risiken sehen Sie für das Geschäftsjahr 2025?
Dr. Mathias Hallmann: Langfristig können wir optimistisch sein. Unsere Strategie EXcellence 2030, mit der wir das Unternehmen seit 2018 ausrichten, bewährt sich jedes Jahr auf‘s Neue und bringt uns sicher durch schwierige Zeiten. Hinzu kommt, dass wir bei allen Megatrends mit im Boot sind. Ich nenne nur drei Beispiele.
Erstens: Der Klimawandel macht die Reduktion von CO2-Emissionen notwendig. Damit gewinnen Vormaterialien für Batterien, Gas (LNG), Wasserstoff und auch wieder die Kernkraft an Bedeutung. Insbesondere im wachsenden LNG-Markt sind wir sehr gut aufgestellt. Aber auch Öl wird zumindest in den nächsten Jahren weiterhin eine wichtige Rolle spielen.
Zweitens: Die wachsende und älter werdende Bevölkerung lässt die Nachfrage nach Nahrungsmitteln und Medizinprodukten wachsen. Entsprechend werden auch zwei unserer wichtigsten Kundenmärkte, die Chemie- und Pharmabranche, wachsen bzw. in die Optimierung und Automatisierung ihrer Prozesse investieren. Drittens: Die Digitalisierung ist ein Booster in der Prozessautomation, bei der wir eine sehr starke Marktposition haben. Dort braucht es überall Explosionsschutz und durch unsere Kundennähe wissen wir frühzeitig, welche Innovationen in der Pipeline sind, die es abzusichern gilt.
Welche weiteren Strategiethemen stehen auf Ihrer Agenda?
Tobias Popp: Wir konzentrieren uns mit unserer Excellence 2030 Strategie nun vor allem auf Digitalisierung und Internationalisierung. Wobei Digitalisierung bei uns auf drei Ebenen stattfindet: Digitalisierung in den Kernprozessen des Unternehmens, Digitalisierung unserer Produkte sowie die Bereitstellung digitaler Dienstleistungen für unsere Kunden. So wandelt sich unsere IT zunehmend zu einem strategischen Partner, der aktiv zur Wertschöpfungskette beiträgt und Innovationen vorantreibt. Das unterstreicht unsere Technologieführerschaft und eröffnet uns perspektivisch ganz neue Geschäftsfelder. So bieten wir mit unserer Online-Arena einen digitalen Showroom, in dem sich der Kunde im Detail über ausgewählte Produkte und Lösungen informieren kann. Standardprodukte kann der Kunde über unseren Webshop (MY R. STAHL) auswählen und unkompliziert online bestellen. Hier werden künftig auch Produktkonfigurationen möglich sein, die bei Beauftragung direkt in der Fertigung ankommen.
Gibt es weitere Mehrwerte für Ihre Kunden?
Tobias Popp: Die Anlagendigitalisierung unserer Kunden unterstützen wir aktiv und bieten dadurch einen Mehrwert über den kompletten Produktlebenszyklus. Ein Beispiel: In der Anlage eines Kunden fällt ein Gerät aus und er hat in seinem Lager keinen Ersatz. In solchen Fällen sind unsere digitalen Typenschilder in Verbindung mit der DigitalTwin Plattform äußerst hilfreich: Durch QR-Codes können alle Informationen in Form eines digitalen Zwillings abgerufen werden – gegebenenfalls inklusive eines passenden Nachfolgeprodukts. Ein Ersatz kann somit direkt, ohne weiteres Suchen, bestellt werden. Daneben stehen alle Informationen für den sicheren Einsatz und die Wartung von Produkten weltweit zur Verfügung. Diese Informationen werden später in einen digitalen Produkt-Pass (DPP) einfließen, der unter anderem den CO2-Fußabdruck für jedes Teil abbildet. Der DPP wird schrittweise ab Mitte 2026 gemäß der ESPR-Verordnung (Ecodesign for Sustainable Product Regulation) gesetzlich verpflichtend. Wir sind vorbereitet.
Wie geht es mit der Internationalisierung voran?
Dr. Mathias Hallmann: Aktuell machen wir etwa 25 Prozent unseres Umsatzes in Deutschland. Im europäischen Ausland sind es gut 45 Prozent und im Rest der Welt 30 Prozent. Unser Ziel ist es, den Weg der Internationalisierung über Europa hinaus fortzusetzen und den globalen Anteil langfristig auf 50 Prozent zu steigern. Allerdings geht das nicht von heute auf morgen. Unser Geschäft ist ein People-Business und lebt vom Vertrauen. Ein Manager aus der Ölbranche sagte kürzlich zu mir: „Wenn ich zu R. STAHL gehe, kaufe ich eine Versicherung.“ Aber bis wir uns diesen exzellenten Ruf, den wir in Europa haben, auch auf dem amerikanischen und asiatischen Kontinent erarbeitet haben, muss man von einem Planungshorizont von etwa zehn Jahren ausgehen.
Tobias Popp: Ein wichtiger Schritt in Richtung Internationalisierung ist, dass wir im indischen Chennai 2026 eine komplett neue Fertigung mit Verwaltung und Logistik in Betrieb nehmen werden. Dabei verfolgen wir eine One-Firm-Strategie. So werden Standorte in Asien nicht nur für Produktion und Absatz genutzt, es werden auch Kompetenzen für administrative Bereiche oder dem Marketing weiter auf- und ausgebaut. Damit entsteht eine Art Drehscheibe für ganz Asien.
Dr. Mathias Hallmann: Unsere Werke in Deutschland und vor allem das Stammwerk in Waldenburg wollen wir zum technologischen Leuchtturm entwickeln.
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