R. STAHL digitalisiert für Sika die Beleuchtung in Ex-Zone 1
Mit dem Aus für die Leuchtstoffröhre in der EU denken viele Betreiber von Industrieanlagen über alternative Beleuchtungssysteme nach. Neben dem einfachen Ersatz durch LED-Leuchten bietet die Umrüstung aber auch die Gelegenheit, durch Digitalisierung Mehrwert zu schaffen. R. STAHL hat in einem Projekt für die Sika Deutschland GmbH Pionierarbeit geleistet und eine moderne digitale Beleuchtungslösung für die Ex-Zone 1 konzipiert.
Arbeitsschutz und Nachhaltigkeit
Man muss kein Technik-Nerd sein, um den Anblick einer Raffinerie oder Chemieanlage bei Nacht schön zu finden. In gleißendes Licht getaucht beeindrucken die Industriekomplexe Betrachter schon von weitem. Dass dort Tag und Nacht das Licht brennt, hat seinen Grund: die Sicherheit der Beschäftigten. Doch das hat auch seinen Preis – angefangen bei den Energiekosten, dem Strombedarf und den damit verbundenen Kohlendioxid-Emissionen. Aber auch in Punkto Naturschutz – man denke nur an Insekten, die um Lampen kreisen – hat die Dauerbeleuchtung ihre Schattenseiten.
Arbeitsschutz mit Nachhaltigkeit zu verbinden und gleichzeitig die Gebäudetechnik zukunftsfähig zu gestalten, stand deshalb in einem Projekt des Bauchemie-Spezialisten Sika ganz oben auf der Anforderungsliste. Das Schweizer Unternehmen ist mit über 33.000 Beschäftigten und 400 Fabriken in 103 Ländern ein globaler Player im Markt für bauchemische Produkte, wie beispielsweise Dicht- und Klebstoffe. Seine Nachhaltigkeitsstrategie hat Sika unter dem Motto „More Value, Less Impact“ zusammengefasst – und dazu gehört es, den Ressourcenverbrauch kontinuierlich zu senken.
Im deutschen Standort Kornwestheim hat das Unternehmen nun Neuland beschritten: Erstmals wurde in zwei Produktions- und Lagerbereichen, die als Ex-Zone 1 klassifiziert sind, eine durchgängig digitale Beleuchtungslösung eingesetzt. Diese ermöglicht es, die Beleuchtung exakt an den Bedarf vor Ort anzupassen. Das spart nicht nur Strom und Wartungsaufwand, sondern ermöglicht zudem eine rechtssichere Prüfung und Dokumentation der Sicherheitsbeleuchtung. Doch der Reihe nach.
Argumente für den Einsatz moderner LED-Technik
Für das Ersetzen konventioneller Beleuchtungsanlagen durch moderne LED-Technik gibt es viele Gründe – beispielsweise das EU-Aus für die gängigen T5 und vor allem T8-Leuchtstoffröhren im August 2023. Seither dürfen Händler in der EU nur noch Restbestände verkaufen. Das Verbot gilt zwar nicht für Lichtquellen, die in explosionsgefährdeten Bereichen eingesetzt werden, doch auch hier ist damit zu rechnen, dass sich das Angebot an Leuchtmitteln deutlich ausdünnen wird.
Entscheidend für die Gesamtbilanz sind in Industrieanlagen meist nicht die Investitionskosten – diese sind bei LED-Beleuchtungssystemen zumeist höher als bei klassischen Leuchtstofflampen – sondern die Betriebskosten, vor allem der Strom- und Wartungsbedarf. Hier kann die LED-Beleuchtung klar punkten, da eine relativ schnelle Amortisationszeit realisiert wird: Ersetzt man Leuchtstoffröhren durch LED-Leuchten, halbiert sich der Energiebedarf – so die Schätzungen des Herstellerverbands ZVEI. Bis zu 70 % lassen sich einsparen, wenn die LED-Leuchte zudem auch noch in Abhängigkeit von vorhandenem Tageslicht oder der tatsächlichen Anwesenheit von Betriebspersonal (Präsenzsteuerung) gesteuert wird. Wird das Beleuchtungssystem professionell geplant, lassen sich weitere 10 % Energieeinsparungen erzielen.
Was per se schon nach genügend Argumenten für den Umstieg klingt, wird in Industriebereichen und vor allem in Ex-Bereichen der (Petro-) Chemieindustrie noch getoppt: Denn auf Dauer schlagen hier auch die Wartungskosten massiv zu Buche. Leuchtstofflampen erreichen lediglich ein Viertel bis ein Fünftel der Lebensdauer von entsprechenden LED-Leuchten und verlieren in dieser Zeit deutlich wahrnehmbar an Lichtstärke. In Anlagen der Prozessindustrie ist der Austausch von Leuchtmitteln insbesondere in explosionsgefährdeten Bereichen mit einem hohen Aufwand verbunden. Weniger Wartungszyklen bei LED-Leuchten, die eine Lebensdauer von 50.000 bis 100.000 Stunden erreichen, bedeuten für den Betreiber massive Kosteneinsparungen. Denn jeder Instandhaltungsarbeit im Ex-Bereich muss eine Gefährdungsbeurteilung vorausgehen und es müssen entsprechende Schutzmaßnahmen getroffen werden. Zudem dürfen Arbeiten in explosionsgefährdeten Bereichen nur von besonders qualifizierten Mitarbeitern geplant und ausgeführt werden – sonst drohen haftungsrechtliche Konsequenzen und die Sicherheit der Produkte ist nicht mehr gewährleistet.
Prüfung von Sicherheitsleuchten automatisiert
Dazu kommt eine weitere Anforderung in diesem sensiblen Bereich: eigenversorgte Sicherheitsleuchten, mit denen im Falle eines Stromausfalls Fluchtwege ausgeleuchtet werden, müssen regelmäßig inspiziert werden. Die DIN EN IEC 60079-17 (Prüfung und Instandhaltung elektrischer Anlagen) fordert eine wöchentliche Sichtprüfung der zentralen Stromversorgung und für batteriegestützte Systeme – ob mit Einzel- oder Zentralbatterie – mindestens wöchentlich die Prüfung unter Zuschaltung der sekundären Spannungsquelle. Dazu wird die Netzspannung abgeschaltet, wodurch die Batterieversorgung aktiv wird. Dabei muss die Funktion jeder einzelnen Leuchte geprüft werden. Die wöchentliche Prüfung von Sicherheitsleuchten mit Einzelbatterie ist simpel, aber dennoch mit Aufwand verbunden: Entweder muss das Anlagenpersonal vor Ort manuell einen Selbsttest auslösen, oder – im Falle von Leuchten mit automatischer Selbsttestfunktion – den Status einer Zustands-LED an der Leuchte ablesen und im Prüfbuch vermerken.
Deshalb war für Sika von Anfang an klar, dass die für zwei Gebäude mit vier Räumen und über zwei Etagen (Ex-Zone 1) vorgesehene neue Beleuchtungsanlage nicht nur umgerüstet, sondern ebenso digitalisiert und in die Gebäudesteuerung einbezogen werden sollte. Denn auch im Nicht-Ex-Bereich nutzt Sika bereits moderne Lichtmanagementkonzepte. Für das Projekt im Ex-Bereich nahm Sika Kontakt zu den Beleuchtungsexperten des auf Explosionsschutz und Automatisierung spezialisierten Lösungsanbieters R. STAHL auf. Die Spezialisten berechneten nach einer Begehung vor Ort die Beleuchtung und planten schließlich eine maßgeschneiderte Beleuchtungslösung. Denn der Wunsch, die LED-Leuchten im Ex-Bereich in die auf dem KNX-Standard basierende zentrale Gebäudeleittechnik einzubinden, erforderte eine Sonderlösung. Der Konnex-Bus KNX wird in der klassischen Gebäudetechnik bereits seit langem für Automatisierungsanwendungen genutzt. KNX lassen sich beispielsweise Heizung, Beleuchtung, Jalousien, Belüftung und Gebäude-Sicherheitstechnik intelligent verknüpfen.
DALI-System in die Gebäudeleittechnik auf Basis von KNX integriert
R. STAHL nutzt für die Digitalisierung der Beleuchtungssysteme im Ex-Bereich das nach IEC 62386 genormte Digital Addressable Lighting Interface DALI2. Das speziell für die Beleuchtungstechnik entwickelte System ermöglicht die individuelle Steuerung von Leuchten. Die Langfeld- und Sicherheitsleuchten von R. STAHL sind mit der DALI2-Schnittstelle ausgestattet und ermöglichen so in explosionsgefährdeten Bereichen ein durchgängiges modernes, flexibles und energieeffizientes Lichtmanagement. Und: DALI erlaubt es, die wöchentliche Inspektion von selbstversorgten Not- und Fluchtwegsleuchten zu automatisieren, indem die Leuchten permanent elektronisch überwacht werden. Mit DALI ist eine bidirektionale Kommunikation zwischen der DALI Zentrale und den Busteilnehmern möglich. Dadurch können die Leuchten nicht nur Befehle entgegennehmen, sondern auch Statusinformationen an die Steuerung zurücksenden. Das ersetzt den Rundgang und Wartungszyklen können so für jede Leuchte individuell definiert werden. Die Wartung wird damit planbar und kann automatisiert durchgeführt werden. Letzteres ist wichtig, weil Notfallreparaturen in Industrie- und vor allem Ex-Bereichen teuer sind. Um das Beste aus beiden Welten – der Gebäudesystemtechnik und der Allgemeinbeleuchtung – zu verbinden, entwickelte R. STAHL ein Schnittstellen-Konzept, das DALI mit dem vorherrschenden KNX-System verbindet.
Konkret sind die DALI-Leuchten der Allgemeinbeleuchtung über ein KNX-Gateway in eine KNX Steuerung eingebunden. Das KNX Gateway übersetzt die DALI Signale in KNX Befehle, wodurch die Beleuchtung individuell und synchron geschaltet werden kann. Für jede Leuchte und Leuchtengruppe lassen sich verschiedene Intensitätsstellwerte, sowie das Dimmverhalten der LED einstellen. Mittels Zeitsteuerung und durch angeschlossene Präsenz- und Tageslichtsensoren, die für den Einsatz in Ex-Bereichen entwickelt wurden, wird die Lichtintensität automatisch auf die betrieblichen Abläufe und die Umgebungshelligkeit abgestimmt – die bisher in vielen Anlagen übliche Praxis, diese auch tagsüber für den Fall von wetterbedingten Dunkelphasen komplett zu beleuchten, ist damit Vergangenheit. Dadurch verlängert sich die Lebensdauer der Leuchten erheblich. Zudem können über die DALI-Kommunikation Schaltzustände, Fehlermeldungen und Helligkeitswerte automatisch abgefragt werden. Dadurch werden moderne vorausschauende Wartungskonzepte möglich, mit denen sich Ausfälle minimieren lassen.
Die Leuchten von Sikas Sicherheits- und Fluchtwegsbeleuchtung werden über zwei separate DALI-Zentralen betrieben, wodurch die Wartung einfacher wird. Die Lichtmanagement-Infrastruktur wurde von den Planern an den jeweiligen Gegebenheiten angepasst.
Das komplette Projekt bei Sika wurde von R. STAHL innerhalb eines Jahres abgewickelt und das neue Beleuchtungssystem in Betrieb genommen. Das maßgeschneiderte Beleuchtungskonzept sorgt inzwischen nicht nur für eine angenehme, bedarfsgerechte und sichere Ausleuchtung der Arbeitsbereiche, sondern ebenso für deutliche Energieeinsparungen. Auf Basis einer automatisierten Prüfung der Notfallbeleuchtung am Wochenende erhält die Betriebsmannschaft bei Schichtbeginn am Montag einen Prüfbericht und kann auf dieser Grundlage Wartungsmaßnahmen planen. Und die digitalisierte Beleuchtungslösung ist zukunftssicher: Sie erlaubt es neue Anforderungen umzusetzen – beispielsweise für den Fall, dass künftige Regelwerke die Präsenz- oder Tageslicht-abhängige Beleuchtung vorschreiben sollte. Und so gilt inzwischen auch für den Ex-Bereich: Die Zukunft ist digital.