Ex p Steuerschrank Petrochemie R. STAHL

Kein Schrank
von der Stange

Explosionsschutz mit der Zündschutzart Überdruckkapselung

Der Explosionsschutz mithilfe der Überdruckkapselung ist einfach und flexibel, vor allem lassen sich damit auch schwierige Ex-Herausforderungen umsetzen. Daher greifen inzwischen viele Anwender auf diese Lösung zurück. Wie dies praxisnah umgesetzt wird, zeigen zwei Industrieanlagen aus der Petrochemie in Kuwait und Ägypten.

Drei Schritte für den Schutz

Ex p-Lösungen werden neben der hohen Sicherheit vor allem für ihre Flexibilität und Einfachheit geschätzt. So bestehen die Überwachungssysteme für die Zündschutzart Überdruckkapselung aus Ex p-Steuergerät, Ex p-Druckwächtern sowie Ex p-Spülventilen mit digitaler und proportionaler Regelung. Dabei sind unterschiedlichste Schrankgrößen möglich. Außerdem lassen sich Spülzeiten und Spüldrücke an die jeweiligen Anforderungen anpassen. Der Betrieb einer klassischen Überdruckkapselung Ex p unterteilt sich in drei Schritte:

Vorbereitungsphase: Über das Spülventil werden Druckluft oder Inertgase in das Ex p-Gehäuse zugeführt und ein Überdruck generiert. Ist dieser erreicht, beginnt die sogenannte Vorspülphase, die über das Ex p-Steuergerät reguliert wird.

Vorspülphase: Vor Inbetriebnahme der im Inneren des Schaltschranks befindlichen Betriebsmittel muss das potenziell vorhandene explosionsfähige Gemisch aus dem Gehäuse ausgeblasen werden. Nach Erreichen des vorab eingestellten Gehäuse-Innendrucks öffnet sich das Spülventil. Es folgt die Durchspülung mit Zündschutzgas. Diese Luftaustrittsventile (Druckwächter) werden an verschiedenen Stellen positioniert, um für kontrollierte Strömungsverhältnisse zu sorgen. Von Vorteil sind die sehr kurzen Spülzeiten bei sehr kleinen Druckbelastungen (bis 15 mbar). Dadurch können dünnere Schaltschrank-Wandstärken (in der Regel 1,5 - 2 mm) verwendet werden. Dies senkt die Kosten. Ist diese Vorspülphase beendet, schließt sich das Spülventil und der Spülfluss stoppt. Der Gehäuse-Innendruck stellt sich erneut auf den voreingestellten Wert ein und das Luftaustrittsventil schließt.

Betriebsphase: Der Normalbetrieb beginnt und die Steuereinheit kontrolliert und reguliert den Gehäuse-Innendruck, um das Eindringen explosionsfähiger Gase zu verhindern. Leckverluste gleichen sich automatisch durch das Spülventil aus.

Insgesamt werden die notwendigen Leckagemengen auf ein Minimum reduziert. Dadurch ist ein sehr kostengünstiger Dauerbetrieb gewährleistet. Zusätzlich kann im Innern eine Temperaturüberwachung und -regelung zur Kühlung integriert werden, wie die nachfolgenden Einsatzbeispiele in zwei Raffinerien zeigen. In beiden Anwendungen wurden ein bzw. sogar zwei Vortex-Luftkühler installiert.

Ex p Steuerschrank Steuergerät R. STAHL
Ex p Steuerschrank Spülventil R. STAHL

Trotz höchsten Umgebungstemperaturen

In einer Kuwaiter Raffinerie überwacht ein spezielles Messgerät die Schwingungen eines Ventilators. Die Messwerte werden für das Monitoring der Austrittsgase herangezogen und sind damit bedeutend für den sicheren Betrieb der Gesamtanlage. Die Herausforderung: Das Messgerät ist nur für Ex-Zone 2 zugelassen – es muss aber auch in Ex-Zone 1 sicher funktionieren. Dies war jedoch nur ein Grund, die Schutzart Überdruckkapselung Ex p als Lösung zu wählen. So ermöglicht die Größe des Gehäuses die Unterbringung weiterer Komponenten und ist im Vergleich zu den Ex d-Lösungen weniger schwer. Die Ex p-Lösung hält außerdem der rauen chemischen Umgebung stand. Der vielleicht wichtigste Grund und die zugleich viel größere Herausforderung bei dem Projekt lag jedoch in der hohen Außentemperatur von teilweise bis zu 55 °C.

Neben den hohen Außentemperaturen musste auch die höhere Verlustleistung im Inneren des Schranks berücksichtigt werden. Wirkliche Alternativen gab es jedoch nicht. So wäre ein Kompressor-Kühlgerät aufgrund der hohen Kosten und dem größeren Raumbedarf schwierig umzusetzen gewesen. In der Kuwaiter Raffinerie entschied man sich daher dafür, einen zweiten Vortex-Luftkühler im Schrank zu installieren, um die nötige Kühlleistung zu erreichen. Allerdings gab es auch bei dieser Lösung mit zwei Vortex-Luftkühlern einige Herausforderungen zu meistern. So benötigt man hier 2000 Liter pro Minute Druckluft bei 5,5 bar. Auch für R. STAHL war dies kein Alltag, zumal sich Vorort-Tests im Vorfeld schwer umsetzen ließen. Daher baute man bei R. STAHL in Waldenburg extra eine Testumgebung auf, um diese Lösung vorab ausgiebig zu untersuchen.

Dies blieb aber nicht die einzige Besonderheit. So sollte der Schrank im Inneren wie ein Rittal-Schrank aussehen, damit der Kunde seine bisherigen Standard-Komponenten weiter nutzen kann. Das betraf zum Beispiel die Rastermaße, den 19“-Rahmen, Leuchten etc. Der Rittal-Schrank ist jedoch nicht für den Ex-Bereich zugelassen. Die Lösung: Der speziell maßgefertigte Sonderschrank wurde so konstruiert, dass er im Inneren die benötigten Rastermaße abbildet und dem Kunden so die gewünschten Befestigungsmöglichkeiten zur Verfügung stellt. Nun kann der Anwender sein gewohntes Rittal-Zubehör einbauen – sich aber gleichzeitig auch auf die Sicherheit von R. STAHL verlassen. Der Vorteil von R. STAHL-Schränken ist, dass diese komplett verschweißt und somit um ein Vielfaches dichter als handelsübliche Schaltschränke sind. Dadurch werden mögliche Fehlerquellen (z.B. Leckagen) schon vorab deutlich reduziert, was Voraussetzung für die Zündschutzart Ex p ist, bei der immer ein leichter Überdruck im Inneren herrscht.

Im Detail bestand die Lösung in einem Ex e-Gehäuse 9850/0 mit zusätzlichen Verstrebungen für den Ex p-Betrieb. Damit der Kunde einen guten Zugang hat, wurde im Ex p-Gehäuse vorne und hinten eine Tür installiert. Das Display versah man mit einer Klappscheibe mit 6 mm Sicherheitsglas. Das U-zertifizierte Ex p-Gehäuse für die Zone 1 wurde zudem in IP 66 ausgeführt. Den Ex p-Schrank lieferte R. STAHL als U-zertifiziertes Ex p-Leergehäuse. Der Kunde kann nun selbst den inneren Ausbau des Schrankes in gewohnter Weise durchführen und verdrahten. Um den Schrank im Ex-Bereich zu installieren – als vollzertifiziertes Ex p-Control Panel 8620/5 – benötigt man so lediglich eine finale Abnahme. Diese restlichen Prüfungen können entweder von einer externen Prüfstelle oder anderen Sachverständigen abgenommen werden.

Ex p Steuerschrank Petrochemie R. STAHL

Jederzeit in Betrieb

In einer ägyptischen Raffinerie wird das oben beschriebene Vibrationsgerät nicht nur für das Monitoring genutzt, sondern auch für die Steuerung. Wichtig war den Anwendern, dass diese Steuerung auch dann einwandfrei funktioniert, wenn eine der elektrischen Versorgungsleitungen ausfallen sollte. Daher wurde über eine zusätzliche Verschaltung eine redundante Versorgung des Ex p-Controllers ermöglicht. Zum Einsatz kommt überdies ein Bypass-Schlüsselschalter, mit dem während der Inbetriebnahme oder einer Wartung – trotz geöffneter Türe und daraus folgendem Druckverlust – am und im Schrank gearbeitet werden kann. Für diese Tätigkeiten ist allerdings Voraussetzung, dass keine explosiven Gase vorhanden sind. Dies muss durch den Prozess gewährleistet sein und i.d.R. wird dafür eine sog. Heißarbeitsgenehmigung ausgegeben. Dieser Schlüsselschalter ist somit eine einfache Möglichkeit, den Schrank ohne besonderen Verdrahtungsaufwand in den Bypassbetrieb zu bringen. Das Wiedereinschalten der Ex p-Überwachung erfolgt nach Beendigung der Arbeiten ohne kostenintensive Prüfschritte einfach durch Deaktivierung des Ex p-Bypass-Schlüsselschalters.

Auch hier war eine Vortex-Kühlung gefordert. Allerdings reichte ein einzelnes Kühlsystem, da die klimatischen Anforderungen mit 50 °C Umgebungstemperatur weniger extrem sind als in Kuwait. Zudem befindet sich der Schrank im Innern eines Gebäudes. Daher reichte in diesem Fall auch die Schutzart IP65. Das zweiflügelige Ex p-Gehäuse (das gleichzeitig Ex e-Schutz bietet) besitzt ebenfalls zusätzliche Verstrebungen, ist allerdings um einiges größer als das Pendant in Kuwait. In der linken Tür befindet sich ein Anbaugehäuse für eine Ex i-Tastatur, mit welcher ein HMI vom Typ Shark bedient werden kann. Dieses ist für extrem raue Umgebungsbedingungen konzipiert. In der rechten Tür ist ein kundenspezifisches Display in einem 19“-Schwenkrahmen. Beide Komponenten sind hinter einer klappbaren Scheibe mit 6 mm-VSG-Sicherheitsglas sicher untergebracht.

Obwohl in Ägypten nur ein Vortex-Kühler benötigt wurde, mussten dennoch 3 Ex p-Luftauslässe eingeplant werden, da der Schrank ein großes Volumen besitzt. Damit können die Spülzeiten kurz gehalten werden. Auf dem Dach außen wurde mit einem speziellen Winkel noch eine LED-Ex-Leuchte von R. STAHL verbaut. Neben einer Kontrollleuchte, welche anzeigt, ob die Lösung betriebsbereit ist, alarmiert im Falle eines Fehlers (etwa bei einem Druckabfall) eine Kombination aus Blitzleuchte und Hupe die Anwender.

Fazit

Die Einsatzbeispiele zeigen, dass mit der Schutzart Überdruckkapselung (Ex p) selbst bei extrem hohen Temperaturen ein sicherer Explosionsschutz möglich ist. Dabei überzeugte die Anwender in den beiden Raffinerien neben der einfachen Installation und Robustheit vor allem die Flexibilität, so dass auch Sonderwünsche sicher erfüllt werden konnten.