Wie mobile Spektrometer helfen, die Pharma-Produktion zu optimieren
Spektrometer werden in der Arzneimittelproduktion immer häufiger auch zur Prozesskontrolle eingesetzt. Doch im Gegensatz zum Labor herrschen in der Produktion verschärfte Bedingungen. Um ein Laborgerät auch im Ex-Bereich einsetzen zu können, hat R. STAHL für einen führenden Pharmahersteller ein NIR-Spektrometer in einen speziell entwickelten Steuerschrank eingebaut. Der Clou: Das hochwertige Spektrometer kann nun mobil an verschiedenen Orten zum Einsatz kommen.
Einleitung
Proben ziehen, ins Labor bringen, analysieren, Prozessbedingungen anpassen – in der Produktion von pharmazeutischen Wirkstoffen ist diese Vorgehensweise Standard. Doch bis das Ergebnis einer Laboranalyse vorliegt und das Produktionsteam darauf reagieren kann, vergeht viel Zeit – oft zu viel, um die ablaufende Reaktion tatsächlich noch steuern zu können und die Charge zu retten. Um Einblick in den Prozess zu erhalten, wünschen sich Hersteller in der chemischen und pharmazeutischen Industrie daher Analysengeräte, mit denen sich Reaktionsverlauf und die Produktqualität online im Produktionsprozess überwachen lassen. Doch das stellt ganz andere Anforderungen an die Geräte als deren Betrieb im Labor: Denn im Produktionsprozess herrschen nicht nur Umgebungsbedingungen, die die empfindlichen Analysengeräte stören können, sondern häufig sind die Produktionsbereiche aufgrund brennbarer Stäube oder des Einsatzes brennbarer Lösemittel als Ex-Zonen klassifiziert. Elektrische Geräte, die dort eingesetzt werden, müssen besonders konstruiert sein, damit sie nicht zur Zündquelle werden. Entsprechend selten und meist auch teuer sind Prozessanalysengeräte, die für solche Bedingungen ausgelegt und gebaut sind.
Echtzeitüberwachung in explosionsgefährdeten Bereichen
Beim Pharmakunden von R. STAHL war bereits ein NIR-Spektrometer im Labor vorhanden. Der Kunde wollte das teure Gerät aber nicht nur im Labor, sondern auch flexibel im Produktionsprozess einsetzen. Schließlich ging es darum, mit der schnellen und präzisen NIR-Spektrometrie den Produktionsprozess zu optimieren und die Qualität der Medikamente zu sichern. Da die Pharmazeuten bereits in anderen Bereichen auf die Kompetenz von R. STAHL bei der Fertigung von kundenspezifischen Steuerschränken, insbesondere im explosionsgeschützten Bereich, gesetzt hatten, lag es nahe, auch in diesem Anwendungsfall auf die Lösungskompetenz des Herstellers aus Waldenburg zurückzugreifen.
Das Kürzel NIR steht dabei für Nah-Infrarot – ein spektroskopisches Analyseverfahren, das mit Hilfe von Infrarotstrahlung die chemische Zusammensetzung von Materialien analysiert. Dabei wird Infrarotlicht im Wellenlängen-Bereich von 780 bis 3.000 Nanometern auf eine Probe gestrahlt, und die Art und Weise, wie die Moleküle des Materials dieses Licht absorbieren oder reflektieren, gibt Aufschluss über dessen Struktur. Das Verfahren ist nicht invasiv, schnell und ermöglicht präzise Qualitätskontrollen, zum Beispiel zur Überprüfung der Inhaltsstoffe von Lebensmitteln oder Medikamenten, ohne die Proben zu beschädigen.
Die Aufgabe für das Team von R. STAHL bestand darin, ein NIR-Spektrometer in einen mobilen, explosionsgeschützten Steuerschrank zu integrieren, um die Qualität von Tablettenrezepturen flexibel und in Echtzeit überwachen zu können. Eine technische Herausforderung, denn das Spektrometer musste mobil und gleichzeitig explosionsgeschützt sein. Für das Pharmaunternehmen war es entscheidend, die Qualität der Tablettenrezepturen während des Granulationsprozesses – einem wichtigen Schritt bei der Tablettenherstellung – zu überwachen. Da viele der verwendeten Chemikalien und Lösungsmittel eine explosionsfähige Atmosphäre erzeugen können, war der Explosionsschutz eine der zentralen Anforderungen des Projekts.
Zwei Möglichkeiten: stationär oder mobil?
Für die Integration des NIR-Spektrometers in den Produktionsprozess gibt es grundsätzlich zwei Ansätze. Eine Möglichkeit besteht darin, das Spektrometer außerhalb des explosionsgefährdeten Bereiches zu installieren und die explosionsgeschützten Sensoren in den Produktionsbereich zu verlegen. Diese Lösung hätte jedoch extrem lange Glasfasersensoren von bis zu 40 Metern erfordert, was nicht nur unpraktisch, sondern auch teuer und fehleranfällig gewesen wäre.
Die bessere Alternative war die Integration des gesamten Spektrometers in den explosionsgefährdeten Bereich. Hier kam R. STAHL ins Spiel: Die Spezialisten für Automation und Explosionsschutz schlugen als technisch und wirtschaftlich beste Lösung die Unterbringung des Spektrometers in einem Steuerschrank in Ex p-Ausführung vor. „Ex p“ steht für Überdruckkapselung und ist eine Schutzmethode für elektrische Betriebsmittel, die in explosionsgefährdeten Bereichen eingesetzt werden. Bei Ex p herrscht im Steuerschrank ein konstanter Überdruck gegenüber der umgebenden Atmosphäre. Dadurch wird verhindert, dass explosionsfähige Gase oder Stäube in das Gehäuse eindringen und Zündquellen erreichen. Vor der Inbetriebnahme wird das Gehäuse zunächst mit Instrumentenluft oder Inertgas gespült, um alle gefährlichen Stoffe zu entfernen. Die Spülluftmenge beträgt dabei mindestens das Fünffache des Gehäusevolumens – im vorliegenden Anwendungsfall wird dazu 30 Minuten gespült. Fällt im Betrieb der Überdruck ab, schaltet ein Überwachungssystem das eingebaute Gerät ab und löst einen Alarm aus. Für das NIR-Spektrometer des Pharmaherstellers ist diese Schutzart ideal, da sie nicht nur den Explosionsschutz gewährleistet, sondern das empfindliche Gerät auch vor Staub und aggressiven Medien schützt, die in der Produktionsumgebung vorkommen können.
Mobilität und Flexibilität: ein Gerät, mehrere Einsatzorte
Eine der Hauptanforderungen des Projekts war die Mobilität des Steuerschranks. Der Pharmahersteller benötigte eine Lösung, die den flexiblen Einsatz des Spektrometers an verschiedenen Orten innerhalb der Produktion ermöglicht. R. STAHL entwickelte hierfür einen mobilen Steuerschrank auf leitfähigen Rollen, die elektrostatische Aufladungen zuverlässig vermeiden. Durch diese mobile Lösung kann das teure Spektrometer in mehreren Produktionsprozessen eingesetzt werden, was erhebliche Kosten spart. Damit die empfindlichen Sensoren und Kabel bei Nichtgebrauch des Spektrometers sicher aufbewahrt werden können, wurde eine mechanische Aufhängung integriert, an der die Kabel sicher verstaut werden können.
Technische Lösungen: HMI und Kabelmanagement
Ein weiteres Highlight des Projekts war die Integration eines modernen HMI (Human Machine Interface), das an einem Schwenkarm auf dem Steuerschrank montiert wurde. Mit der neuen Orca-Serie hat R. STAHL ein eigenes Bediengerät im Programm, das nicht nur die hohen Anforderungen des Explosionsschutzes erfüllt, sondern auch über ein pharmagerechtes Design verfügt. Damit kann der Bediener das Spektrometer direkt vor Ort überwachen und steuern, ohne auf externe Systeme angewiesen zu sein. Auch die Auswertesoftware des Spektrometers ist so direkt im Gerät integriert und kann vom Anlagenbediener komfortabel genutzt werden. Das HMI ist mit Sicherheitsglas ausgestattet und bietet eine benutzerfreundliche Oberfläche für die Analyse und Parametrierung des Gerätes. Der eigens für diese Steuerschrank-Lösung konstruierte Schwenkarm nimmt auch die Anschlusskabel für das HMI auf. Durch die Montage des Monitors auf dem Schwenkarm ist die mobile Lösung im Gegensatz zu einer Schranklösung mit Einbaumonitor nicht kopflastig.
Auch das Kabelmanagement stellte eine Herausforderung dar, da die Standard-Kabeldurchführungen für die groß dimensionierten faseroptischen Sensoren des Spektrometers nicht ausreichten. R. STAHL löste dieses Problem durch den Einsatz eines flexiblen Multi-Kabel-Durchführungssystems (MCT), das eine sichere und gasdichte Abdichtung gewährleistet. Für die Stromversorgung wurde ein eigener Ex-Steckverbinder verwendet. Zusätzlich wurden Trompetenverschraubungen eingesetzt, um die beweglichen Kabel zu schützen. Eine weitere Besonderheit ist die Schubladenkonstruktion im Inneren des Steuerschranks. Diese erleichtert den Zugang zum Spektrometer bei geöffnetem Steuerschrank.
Die Einhaltung einer stabilen Temperatur im Inneren des Steuerschranks war ein weiterer kritischer Punkt, der berücksichtigt werden musste. In der Produktionsumgebung können die Temperaturen schnell ansteigen, insbesondere im Sommer oder in warmen Klimazonen. Um sicherzustellen, dass das Spektrometer unter optimalen Bedingungen arbeitet, integrierte R. STAHL ein geregeltes Kühlsystem, das bei Bedarf die Spülluft dazu verwendet, die Innentemperatur stabil zu halten.
Explosionsschutz und Werkstoffe
Der Steuerschrank wurde aus korrosionsbeständigem Edelstahl gefertigt, um den hohen hygienischen Anforderungen in der Pharmaindustrie gerecht zu werden. Alle Oberflächen wurden so bearbeitet, dass sie leicht zu reinigen sind und keine Rückstände oder Verunreinigungen haften bleiben. Dies ist besonders wichtig, da der Steuerschrank regelmäßig in einer Umgebung eingesetzt wird, in der verschiedene Chemikalien und Substanzen verarbeitet werden.
Um den Explosionsschutz zu gewährleisten, wurde der Schrank nicht nur nach den Vorgaben der Zündschutzart Ex p gebaut, sondern es wurden gleichzeitig auch die Konstruktionsmerkmale für die Zündschutzart Ex e beachtet. Dadurch konnten neben dem Ex p-System – bestehend aus Steuergerät, Druckwächter und Lufteingangsbaugruppe – auch zusätzlich benötigte Sicherheitskomponenten wie ein Ex e-Leitungsschutzschalter und ein Ex e-Freigabeschütz als offene Baugruppe im Inneren des Steuerschranks verwendet werden.
Fazit: Maßgeschneiderte Lösung
Das Projekt zeigt, wie wichtig maßgeschneiderte Lösungen im explosionsgeschützten Bereich sind. R. STAHL entwickelte einen mobilen Ex p-Steuerschrank, der es dem Pharmaunternehmen ermöglicht, ein teures und empfindliches NIR-Spektrometer sicher und flexibel in der Produktion einzusetzen. Durch die Kombination von Mobilität, explosionsgeschützter Ausführung und benutzerfreundlicher Bedienung konnte R. STAHL nicht nur die hohen Sicherheitsanforderungen erfüllen, sondern dem Pharmahersteller auch dabei helfen, die Effizienz in der Produktion zu steigern.
Das Projekt wurde termingerecht und zur vollsten Zufriedenheit des Kunden abgeschlossen. Das Pharmaunternehmen plant bereits den Einsatz weiterer mobiler Ex p-Steuerschränke für andere Anwendungsbereiche, was die erfolgreiche Zusammenarbeit und die hohe Qualität der Lösung unterstreicht.
![Ex p Steuerschrank Mobil Spektrometer R. STAHL Ex p Steuerschrank Mobil Spektrometer R. STAHL](/fileadmin/user_upload/mitarbeiter/01_DE/01_Home/03_Branchen/09_Erfolgsgeschichten/32_Ex_p_Steuerschrank_Spektrometer/ex-p-steuerschrank-mobil-spektrometer-rstahl-729x480.jpg)