Der neue Maßstab für die Digitalisierung in der Prozessindustrie
Digitalisierung ist das Schlagwort für Fortschritt in der Prozessindustrie. Übergeordnetes Ziel ist die intelligente Vernetzung zwischen Mensch-Maschine und Maschine-Maschine für eine effiziente Prozessautomatisierung. Die Prozessüberwachung sowie die Auswertung der Diagnosedaten bis ins Feld spielt hier eine große Rolle. Dies gilt insbesondere für explosionsgefährdete Bereiche.
Neue Konzepte wie die NAMUR Open Architecture (NOA) oder der Open Process Automation Standard (O-PAS™) erfordern eine leistungsfähige und flexible Infrastruktur. Es bedarf eines Netzwerkstandards, der hohe Bandbreiten sowie schnelle Übertragungsraten bis ins Feld bietet, all das kombiniert mit einfacher Installation.
Die Lösung: Ethernet Advanced Physical Layer oder kurz Ethernet-APL. Der internationale Standard für Ethernetbis ins Feld.
Ethernet-APL: Datenübertragungstechnik ohne Grenzen
Die Datenübertragungstechnik Ethernet Advanced Physical Layer ist der neue Standard für ein 2-Draht-Ethernet. Ethernet-APL ist speziell für den Einsatz in Anlagen in der Prozessindustrie optimiert und ermöglicht den Aufbau moderner, digitaler Strukturen. Möglich ist die durchgängige IP-Kommunikation von der Feldebene bis zum Leitsystem – und sogar darüber hinaus – sowie die horizontale und vertikale Vernetzung ganzer Anlagen.
Ethernet-APL basiert auf der 10BASE-T1L-Spezifikation des IEEE Std. 802.3 und erweitert diese speziell zum Einsatz in der Prozessindustrie. Mehr noch: Diese fortschrittliche Datenübertragungstechnik unterstützt die Zündschutzart Eigensicherheit „i“ in explosionsgefährdeten Bereichen der Zonen 0, 1 und 2 (gemäß IEC 60079-11 und IEC 60079-25) sowie Class I Div. 1 und Div. 2 (NEC500). Im Gegensatz zu Power over Data Lines (PoDL) der Single Pair Ethernet-Spezifikation (SPE), erfolgt bei Ethernet-APL die Verwendung eines eigenen Speisekonzepts (gemäß IEC TS 60079-47). Anstatt industrieller Steckverbinder, wird vorrangig über die in der Prozessindustrie üblichen Klemmverbindungen installiert.
So funktioniert Ethernet-APL in der Prozessautomation
Ethernet-APL unterstützt unterschiedliche Installationskonzepte. Dazu zählt unter anderem die von Ethernet bewährte Stern-Topologie. Diese ist besonders einfach zu planen und fördert redundante Netzwerke (Ringe) mit typisch bis zu 250 Feldgeräten. Hierzu werden fremdgespeiste Ethernet-APL Field Switches direkt in der Zone 1 oder Zone 2 an einem industriellen 4-Draht Ethernet 100BASE-TX oder 100BASE-FX betrieben und versorgen die angeschlossenen Ethernet-APL Feldgeräte mit eigensicherer Energie.
Alternativ kann die Trunk-Spur Topologie verwendet werden. Dabei speist ein Power Switch Energie in das unterlagerte Netzwerk ein und übernimmt die Umsetzung vom 4-Draht Ethernet auf 2-Draht. An diesem, bis zu 1000 m langen Trunk, werden dann die trunk-gespeisten Field Switches mit den eigensicheren Ethernet-APL Feldgeräten angeschlossen.
Beiden Optionen gemein ist das neue Eigensicherheitskonzept für die Ethernet-APL Feldgeräte: „2-Wire Intrinsically Safe Ethernet“ (2-WISE) basiert auf dem bewährten FISCO (Fieldbus Intrinsically Safe Concept). Sogar die beim Feldbus eingesetzten Typ A-Kabel sind weiterhin einsetzbar. R. STAHL hat auf IEC-Ebene an dieser neuen Technical Specification IEC TS 60079-47 mitgewirkt.
Prüfungen und Zertifizierungen garantieren die interoperable Zusammenarbeit von Geräten verschiedener Hersteller in einem Netzwerk.
Ethernet-APL: Die Zukunft in der Prozessautomation
Vorangetrieben wurde die Entwicklung und Marktreife von Ethernet-APL durch eine Kooperation von 12 Herstellern mit den führenden Technologie-Verbänden FieldComm Group (FCG), ODVA, OPC Foundation und PROFIBUS PROFINET International (PI). Diese APL-Arbeitsgruppe hatte ihre Aktivitäten im Jahr 2018 begonnen und hat diese dann erfolgreich im August 2022 beendet – Ethernet-APL ist bereit für die Umsetzung in die Praxis.
Heute arbeiten die Technologie-Verbände zusammen mit den Herstellern an Zertifizierungsmaßnahmen um die Interoperabilität der Produkte zu gewährleisten. Einige Endanwender testen die neue Technologie bereits in ihren Prüflaboren auf Praxistauglichkeit – Ethernet-APL beeindruckt mit hervorragenden Ergebnissen.
Die ersten Ethernet-APL Feldgeräte und Infrastrukturprodukte sind seit Ende 2023 auf dem Markt verfügbar – viele weitere sind für 2024 angekündigt. Seitens der NAMUR arbeitet eine APL Task Force in enger Zusammenarbeit mit dem ZVEI und deren Mitgliedsfirmen aktiv an der Verbreitung und dem Einsatz der Technologie – wann springen Sie auf den Ethernet-APL Schnellzug mit auf?